Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Eine fatale Show

Lesezeit: 3 min

Die Veranstaltung, auf der Donald Trump und Benjamin Netanjahu den US-Friedensplan präsentiert haben, wird ihre verheerende Wirkung erst nach den Wahlen in Israel und den USA entfalten.

Kommentar von Moritz Baumstieger

Im Anschluss spielten sie tatsächlich "What a wonderful world". Fast eine Stunde lang hatten US-Präsident Donald Trump und Israels amtierender Premier Benjamin Netanjahu im Weißen Haus den US-Friedensplan für den Nahen Osten vorgestellt, sich vor allem aber selbst gepriesen. Adjektive wie "historisch" reichten bald nicht mehr, Netanjahu ernannte Trump zum "ewiglichen" Freund Israels - nicht ganz der Messias, aber wohl kurz darunter angesiedelt.

Wenn Netanjahu Louis Armstrongs Klassiker mit seiner Bassstimme unterlegt hätte, es hätte keinen gewundert: Das, was Trumps Nahostteam unter dessen Schwiegersohn Jared Kushner nun endlich vorgelegt hat, ist kein Kompromissvorschlag, der Gerechtigkeit für sich reklamieren darf, weil er von beiden Seiten schmerzhafte Kompromisse erfordert. Es ist nicht einmal ein Entwurf, der nur seit Jahrzehnten erhobenen Forderungen Israels nachkommt. Es ist ein Plan, der den Palästinensern die Vorstellungen der Rechten und der Siedlerbewegung fast ohne Abstriche diktieren will - und noch dann Schaden anrichten wird, wenn die Inszenierung vom Dienstag als weitere bizarre Volte Trumps abgeheftet ist.

Dass dessen Regierung in dem Konflikt als ehrlicher Makler auftreten würde, hat keiner erwartet: Kushners Familie ist den Netanjahus seit Jahrzehnten eng verbunden, der US-Botschafter in Israel ist stolzer Förderer der Siedlungsbewegung. Und Vizepräsident Mike Pence zählt zu jenen Evangelikalen, die eine Herrschaft Israels über das Westjordanland als Teil der Prophezeiung ansehen - und die im Herbst natürlich für Trump stimmen sollen. Die einseitige Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt, das Abnicken der Annexion der Golanhöhen, die Wende beim Umgang mit den völkerrechtswidrigen Siedlungen: All diese Brüche mit dem bisherigen Konsens in der Nahostpolitik setzen den Ton.

Auch wenn die palästinensische Seite bei der Ausarbeitung des Plans schlicht ignoriert wurde, muss Kushner klar gewesen sein, dass in Ramallah oder Gaza niemand in das Lied über eine wundervolle Welt einstimmen wird. Zwar verspricht man den Palästinensern irgendwann in ferner Zukunft ein staatsähnliches Gebilde - aber eines, das keine wirkliche Souveränität hat und das in seiner Ausgefranstheit jeden palästinensischen Grundschüler vor eine unlösbare Aufgabe stellen würde, der die Umrisse seiner Heimat in Nationalfarben ausmalen soll. Punkte wie ein Rückkehrrecht oder eine Kompensation für Flüchtlinge sind ersatzlos gestrichen, Annexionen aller Siedlungen und des Jordantals dafür durchgewunken.

Der Vorschlag zur Jerusalemfrage ist schlichtweg dreist

Die Vorstellung, dass man die Palästinenser mit sehr großzügiger Wirtschaftshilfe über all das hinwegtrösten und die Wunden der Vergangenheit auf beiden Seiten durch Wohlstand, Wachstum und Konsum überkleistern kann, mag Trumps Marktglauben geschuldet sein. Der Vorschlag zur Jerusalemfrage ist hingegen schlichtweg dreist: Trump behauptet, den Palästinensern eine Hauptstadt im Ostteil der Stadt anzubieten. Und verwendet dabei die Logik eines Immobilienmaklers, der den letzten Winkel der Peripherie als "zentrumsnah" anpreist - mit der kleinen Besonderheit, dass im Falle Jerusalems noch eine Sperranlage dazwischen steht.

Wäre es nicht so ernst, könnte man belächeln, dass ein Mann, der in seiner Ignoranz die Al-Aksa-Moschee mal eben zur Al-Aqua-Moschee macht, dieses Dokument zum Deal des Jahrhunderts ausruft. Und die Veranstaltung in Washington als das verbuchen, was es für Israels Premier und auch für den US-Präsidenten großteils gewesen sein dürfte: eine Show, mit der die jeweilige Stammwählerschaft für den Wahlkampf motiviert werden soll.

Ihre wirklich verheerende Wirkung wird die Veranstaltung jedoch entfalten, wenn die Wahlen in Israel am 2. März und die in den USA acht Monate später ausgezählt sind. Der Schaden wird über die Opfer und Verletzten weit hinausgehen, die man bei den wohl folgenden Protesten und Angriffen erwarten kann: Nun, da die mächtigste Nation der Welt die Maximalforderungen der israelischen Rechten übernommen hat, wird auf absehbare Zeit kein Ministerpräsident in Jerusalem mehr von diesen Positionen abweichen können. Dazu wäre ein fundamentaler Wandel in der politischen Landschaft Israels nötig, der ist aber nicht abzusehen. Die Situation ist von einem Patt zwischen Mitte-rechts und ganz rechts geprägt, die Linke spielt keine Rolle mehr.

Daher ist besonders tragisch, dass Trump in einem Punkt recht hat: Sein Vorschlag könnte einer der letzten sein, der in dem mehr als 70 Jahre andauernden Konflikt gemacht wird. Jahrelang wiederholte Netanjahu, er sei zu Gesprächen bereit, wenn die Palästinenser auf sämtliche Vorbedingungen wie einen Siedlungsstopp verzichten. Nun hat er dieses Motiv umgedreht, will dann verhandeln, wenn die Palästinenser Trumps Plan in allen Punkten anerkennen. Sonst bleibt es beim eigentlich unhaltbaren Status quo, vielleicht für immer. What a wonderful world.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4776180
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.