Nahost:Die Botschaft der Raketen

Lange blieben Attacken Israels auf iranische Ziele in Syrien unbeantwortet. Seit Neuestem antworten Assads Luftabwehr und die Revolutionsgarden jedoch mit Gegenangriffen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Was israelische Militärexperten erwartet hatten, ist nun eingetreten: In Syrien ändern sich die militärischen Spielregeln, nachdem Präsident Baschar al-Assad wieder weitgehend die Kontrolle über das Land übernommen hat. Syrien, seine Schutzmacht Russland und der Verbündete Iran dulden die israelischen Luftangriffe auf iranische Stellungen und jene der libanesischen Hisbollah nicht mehr, sondern holen zu Gegenangriffen aus.

Am Sonntagmorgen hatte die israelische Armee iranische Stellungen in Syrien bombardiert - einer der seltenen Angriffe bei Tageslicht. Anders als sonst folgte rasch ein Gegenschlag. Laut israelischer Armee war es eine iranische Boden-Boden-Mittelstreckenrakete, die am Sonntag Richtung Golanhöhen abgefeuert worden war. Ein Video vom Skigebiet auf dem Berg Hermon zeigt Spuren der Aktivitäten des israelischen Raketenabwehrsystems Iron Dome (Eisenkuppel) am Himmel und Reaktionen verängstigter Kinder. Das Skigebiet blieb am Montag zu - aus "Sicherheitsgründen," begründete die Armee.

Deren Sprecher Jonathan Conricus sagte am Montag vor Journalisten, dass Zivilisten ins Visier genommen worden seien. Die Rakete sei von iranischen Kräften von einer Stelle aus abgefeuert worden, wo laut Zusicherung Russlands keine Iraner stationiert sein sollten. Nach der Rückeroberung der Gebiete entlang der von Israel annektierten Golanhöhen durch Assads Truppen gab es die Zusicherung, dass sich dort keine Iraner aufhalten.

Der Schlagabtausch bedeutet eine scharfe Eskalation. Offenen Krieg aber will wohl keine Seite

Die Israelis bombardierten daraufhin in der Nacht zum Montag mehrere iranische Stellungen in Syrien und feuerten auch auf die Luftabwehr. Dabei sollen bis zu elf Menschen ums Leben gekommen sein - das wäre einer der bisher schwersten Angriffe Israels in Syrien in den vergangenen Jahren. Zuvor hatte Israels Armee Angriffe sogar angekündigt, was bisher noch nie der Fall war. Vor wenigen Tagen hatte der scheidende Generalstabschef Gadi Eisenkot offenbart, dass Israel in den vergangenen Jahren "Tausende Angriffe" in Syrien ausgeführt hat, ohne dazu öffentlich Stellung zu nehmen. Am vergangenen Sonntag hatte auch Premierminister Benjamin Netanjahu Angriffe in Syrien bestätigt.

Netanjahu, der gleichzeitig auch Außen- und Verteidigungsminister ist, befindet sich im Wahlkampf. Der Politiker des rechtsnationalen Likud, der wegen seiner Korruptionsaffären unter Druck steht, will bei seinen Wählern damit punkten, dass er für ihre Sicherheit sorgt. Dazu muss er aber Aktionen wie jene in Syrien öffentlich machen - gegen den Widerstand von Armeevertretern.

Netanjahu kündigte am Montag an, man werde die "Aggressionen Irans nicht zulassen" und verwies auf eine aktuelle Drohung des Kommandeurs der regulären iranischen Luftwaffe, Aziz Nasirzadeh, der laut dem Nachrichtenportal YJC gesagt hat: "Unsere jetzige und auch die zukünftige Generation sind voll und ganz bereit, gegen das zionistische Regime (Israel) zu kämpfen und dieses Regime vom Erdboden auszuradieren."

Israelische Politiker und Militärvertreter kündigten weitere Angriffe an, um eine Ausbreitung Irans in Syrien zu verhindern. Für den neuen israelischen Generalstabschef Aviv Kochavi ist es die erste Bewährungsprobe. Ob diese Auseinandersetzungen militärisch weiter eskalieren, hängt von den Reaktionen der beteiligten Länder ab. "An einem Krieg hat derzeit keiner Interesse", sagt Eyal Zisser, Syrienexperte der Universität Tel Aviv. Offen ist, inwieweit Russland Einfluss auf Irans Aktivitäten hat. Israel verlangt weiter Handlungsfreiheit für Bombardierungen iranischer Stellungen in Syrien und verhandelt darüber nur mit Russland, nicht aber mit Assad.

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