Nahost:Ägypten droht mit Einmarsch in Libyen

Der ägyptische Präsident al-Sisi richtet Forderung an Tripolis und die Türkei, ihren Vormarsch auf die Ölgebiete des Nachbarlandes Libyen zu stoppen.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Türkische Regierungsdelegation zu Gesprächen in Libyen

Regierungsdelegation zu Gesprächen in Libyen: Mevlüt Çavuşoğlu (2. v. l.), Außenminister der Türkei, und Muhammed Tahir Siyala, Außenminister der international anerkannten libyschen Regierung, am Flughafen in Tripolis.

(Foto: Fatih Aktas/Turkish Foreign Ministry/AP/dpa)

Der Bürgerkrieg in Libyen könnte sich bald zum militärischen Konflikt zwischen den Nachbarstaaten ausweiten. Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al-Sisi sagte am Samstag bei einem Truppenbesuch an der Grenze zum Nachbarland, die ägyptische Armee müsse bereit sein "für jegliche Mission innerhalb unserer Grenzen - oder, wenn nötig, auch außerhalb unserer Grenzen". Sisis Drohung richtete sich nicht allein an die von der UN anerkannte libysche Einheitsregierung in Tripolis, die eine der Bürgerkriegsparteien ist. Gemeint war ohne jeden Zweifel auch die Türkei, die einer der wichtigsten Akteure in dem nordafrikanischen Konflikt geworden ist.

Die Regierung in Tripolis bezeichnete Sisis Drohung am Sonntag als "Kriegserklärung".

Ankara unterstützt Tripolis durch Einsatz modernster Waffen und die Bereitstellung ausländischer Söldner und hat ihr so die Oberhand im Bürgerkrieg verschafft. Die Regierungstruppen rücken nun auf die Stadt Sirte und den Luftwaffenstützpunkt al-Jufrah vor.

Sirte und Jufrah kontrollieren die Zugänge zu den libyschen Ölfeldern. Die Orte sind noch in der Hand der von Ägypten unterstützten Bürgerkriegspartei, die von General Khalifa Haftar geführt wird. Ägyptens Staatschef Sisi drohte daher unverhohlen: "Wenn jemand glaubt, dass er die Grenzen von Sirte und Jufrah überschreiten kann, ist dies für uns eine rote Linie".

Genau diesen Zugriff auf die Rohstoffe dürfte Ankara seinen Verbündeten in Tripolis aber verschaffen wollen. Noch vor Sisis Drohung hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, die Einheitsregierung müsse die Bevölkerung "in den von Haftar befreiten Gebieten" versorgen: "Das kostet. Aber Haftar verhindert, dass die Regierung das libysche Erdöl verkaufen kann." Der Außenminister stellte klar, dass Ankara sich inzwischen als entscheidende Kraft in dem nordafrikanischen Konflikt sieht: "Die Türkei hat ein Gleichgewicht der Kräfte geschaffen, ansonsten würde der Bürgerkrieg Jahrzehnte dauern." Jetzt gehe es darum, nach einem Waffenstillstand "eine Road-Map" zu entwickeln: "Die Türkei will eine politische Lösung, will Frieden", sagte Çavuşoğlu.

Gleichzeitig sprach der türkische Außenminister dem von Ägypten, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten militärisch unterstützten Führer der gegnerischen Bürgerkriegspartei jegliche Mitsprache bei der Suche nach einer politischen Friedenslösung ab. Der "Putschist Haftar" setze seine Aggression fort. "Haftar hat seine Chance vertan", sagte Çavuşoğlu. "Erst als er in die Ecke getrieben worden war, interessierte er sich für einen Waffenstillstand." Der General dürfe daher in Zukunft keine Rolle mehr spielen.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan habe seinen russischen Kollegen Wladimir Putin "davor gewarnt, sich hinter Haftar zu stellen". Man müsse stattdessen die Einheit des Landes erhalten. "Da können auch die USA mitwirken, die Rolle der EU und der Afrikanischen Union ist ebenfalls wichtig", sagte Çavuşoğlu.

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