Nahost:Abbas will auf Wiederwahl verzichten

Der Palästinenser-Präsident ist vom Friedensprozess so frustriert, dass er im Januar nicht antreten möchte. Das könnte sich aber noch ändern.

T. Avenarius und P. Münch

Machtworte sind nicht die Stärke von Palästinenser-Präsident Machmud Abbas, doch nun hat er Klartext geredet.

Nahost: In einer Fernsehansprache kündigte Palästinenser-Präsident Machmud Abbas an, zur Wahl nicht mehr anzutreten.

In einer Fernsehansprache kündigte Palästinenser-Präsident Machmud Abbas an, zur Wahl nicht mehr anzutreten.

(Foto: Foto: Reuters)

Nach fünf Jahren im Amt will der Nachfolger von Jassir Arafat aufhören, bei der von ihm selbst für den 24. Januar angesetzten Wahl will er nicht mehr kandidieren. Das hat er am Donnerstag in einer Fernsehansprache angekündigt.

Frustration über den schleppenden Friedensprozess mit Israel hat sich da entladen. Dennoch wollen sich offenbar seine Mitstreiter noch darum bemühen, den Präsidenten umzustimmen, hieß es. Und er selbst deutete an, er könne seine Meinung ändern, wenn er Rückendeckung von den USA bekomme.

Gerüchte über einen Rückzug von Abbas hat es schon seit einiger Zeit gegeben. Aber bislang war das immer auch als Teil des politischen Spiels gesehen worden, als eine letzte Trumpfkarte eines angeschlagenen Führers. Denn Abbas hatte vor allem in jüngster Zeit heftige Kritik einstecken müssen.

Einer der Kulminationspunkte war der Streit um den Goldstone-Report, der Israel und der Hamas Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg vorwirft. Offenbar auf Druck der USA hatte Abbas zunächst dafür sorgen wollen, dass dieser Report noch nicht an die UN-Vollversammlung weitergeleitet wird. Im eigenen Lager hat er damit einen Sturm entfacht, die im Gaza-Streifen regierende Hamas stempelte ihn zum Verräter - am Ende musste Abbas einknicken und sich wenig glaubwürdig wieder an die Spitze einer Bewegung stellen, die er selbst stoppen wollte.

Abbas fühlt sich zudem von der internationalen Gemeinschaft enttäuscht. Der letzte Schlag für ihn war die Ankündigung von US-Außenministerin Hillary Clinton: Washington mache einen vollständigen Stopp des israelischen Siedlungsbaus nicht mehr zur Vorbedingung israelisch-palästinensischer Friedensgespräche.

Präsident Barack Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt von Israel verlangt, dass die gesamte Siedlungstätigkeit im Westjordanland und in Ost-Jerusalem auf Eis gelegt wird, wie dies auch in früheren Vereinbarungen vorgesehen ist.

Direkt nach Clintons Ankündigung hatte das Umfeld von Abbas wissen lassen, dass dieser unter diesen Bedingungen bei der geplanten Wahl im Januar kaum wieder antreten werde.

Als Nachfolger des 2004 an einer unbekannten Krankheit gestorbenen Jassir Arafat hat sich Abbas nie aus dem Schatten des Vorgängers heraus bewegen können. Arafat war die in Palästina alles überragende Figur; sowohl in seiner Phase als Untergrundführer als auch als erster Palästinenser-Präsident, Friedensnobelpreisträger und Vater der Oslo-Verträge.

Der 1935 geborene Abbas, der in Moskau studiert hat, hatte zu Arafats Zeiten die Rolle des Diplomaten und Verhandlers im Hintergrund. Dem PLO-Chef, Fatah-Vorsitzenden und 2005 mit einem sehr guten Wahlergebnis gewählten Palästinenser-Präsidenten fehlt es an Ausstrahlung und Volkstümlichkeit.

Abbas, der trotz aller Rückschläge bisher konsequent auf Verhandlungen statt auf Gewalt setzt, steht bei Teilen der Bevölkerung immer mehr im Ruf, Marionette der Israelis und der Amerikaner zu sein. Obwohl Abbas als nicht korrupt gilt, kann er den meisten Führern der Islamisten-Partei Hamas wenig entgegensetzen. Die Spaltung der Palästinenser durch die Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen 2007 war der schwerste Schlag für den Präsidenten. Alle von Ägypten unterstützten Bemühungen um eine Versöhnung der Palästinenser sind bisher gescheitert.

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