Naher Osten:Schwelbrand am Golf

Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Katar

Der Emir von Katar, Scheich Tamin (rechts), hier noch in friedlicher Eintracht neben dem saudischen König Salman.

(Foto: dpa)
  • Die Spannungen in der Region sind so kritisch wie vor dem Irakkrieg 2003 nicht mehr.
  • Nach den Anschlägen in Teheran stellt die iranische Propaganda den "Islamischen Staat" als Geschöpf des saudischen Königshauses, der USA und Israels dar.
  • Die iranischen Revolutionsgarden schwören Vergeltung. Eskalationsziele könnten in Jemen, in Syrien, aber auch auf den Schifffahrtswegen im Persischen Golf liegen.

Von Paul-Anton Krüger

Es wurde Abend, bis Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei sich zum schwersten Terroranschlag in Teheran seit Jahrzehnten äußerte. Die koordinierten Angriffe von Mittwochvormittag auf das Parlament und das Mausoleum seines Vorgängers Ayatollah Ruhollah Chomeini seien "nichts als Feuerwerk, das keine Wirkung haben wird" und weder den Willen des iranischen Volkes noch der Regierung beeinflusse. Er sprach von Attentaten mit nicht weniger als 17 Toten. Schon vorher hatten die Staatsmedien versucht, die Geschichte herunterzuspielen. Dabei ist der Albtraum der Führung eingetreten: Laut den Ermittlungen waren die Angreifer alle Iraner, die sich offenbar von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben anwerben lassen, um Anschläge im Herzen der Islamischen Republik zu verüben.

Diese Republik vereint, was die sunnitischen Extremisten am meisten verabscheuen: einen schiitischen Gottesstaat, für den der Chomeini-Schrein steht, mit Elementen parlamentarischer Demokratie, wenn auch nur in engen Grenzen, symbolisiert durch den 2004 neu gebauten Sitz der Madschlis in Teheran. Bereits im März hatte der IS ein Drohvideo veröffentlicht, in dem Mitglieder einer neuen Einheit auftreten, die eigens für Anschläge in Iran gegründet worden sei. Sie wenden sich auf Farsi an die Minderheit der Sunniten, neun Prozent der Bevölkerung, von denen sich viele systematisch benachteiligt fühlen.

Ein Krieg der Konfessionen ist das Ziel des IS. Lange hat er sich schwergetan, Iraner zu rekrutieren. Und jetzt? Es lässt die Geheimdienste und die Revolutionsgarden schlecht aussehen, dass sie die Attacken auf zentrale Orte der Islamischen Republik nicht verhindern konnten, auch wenn ein dritter Angreifertrupp wohl gestoppt wurde. Bisher galt Iran als Insel der Sicherheit in einem Meer von Gewalt. Jetzt steht die offizielle Begründung für das massive iranische Engagement im Irak und in Syrien infrage - auch wenn sie Khamenei noch einmal bemühte. Hätte Iran die Terroristen nicht dort attackiert, wo der "Kern dieser Abweichung liegt", sagte er, hätte es bereits mehr Angriffe in Iran gegeben.

Trumps merkwürdige Beileidsbekundung befeuert die iranische Propaganda

Die Revolutionsgarden lieferten noch eine weitere Erklärung für den Terrorakt. Saudi-Arabien und die USA trügen die Schuld. Der Beweis: US-Präsident Donald Trump habe jüngst das "reaktionärste Regime der Region" besucht. Ohnehin stellt die iranische Propaganda den IS als ein Geschöpf des saudischen Königshauses, der USA und Israels dar. Die bodenlose Beileidsbekundung Trumps, der Iran quasi selbst für den Anschlag verantwortlich machte, befeuert dies nur. Den Hardlinern in Teheran kommt das gerade recht: So können sie Bemühungen des moderaten Präsidenten Hassan Rohani unterlaufen, die Wirtschaft weiter zu öffnen und mehr gesellschaftliche Freiheit zu gewähren.

Die Revolutionsgarden schwören Vergeltung, und viel Fantasie ist nicht nötig, Eskalationsszenarien zu identifizieren. Mit ihren Schnellbooten provozieren die Garden regelmäßig Zwischenfälle mit US-Kriegsschiffen im Golf, sie haben in der Vergangenheit Anschläge auf Diplomaten orchestriert. Zudem kann Iran sein militärisches Engagement nicht nur in Irak und Syrien ausbauen und dort auch US-Interessen oder Truppen ins Visier nehmen, sondern auch in Jemen. Dort versucht eine von den Saudis geführte Allianz seit eineinhalb Jahren vergeblich, mit überlegenen militärischen Mitteln die von Iran unterstützten schiitischen Huthi-Milizen zu besiegen.

Dabei sind die Spannungen in der Region ohnehin auf einem Niveau wie seit dem Golfkrieg 2003 nicht mehr. Saudi-Arabien und Iran wetteifern nicht nur um Einfluss, sie zielen auf die religiös-ideologischen Fundamente der Gegenseite. Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif rief im September via New York Times dazu auf, die Welt vom Wahhabismus zu befreien, der saudischen Staatsreligion, die er für allen Terror der Welt verantwortlich machte. Kein Wort über Hisbollah, Hamas, die schiitischen Dschihadisten-Heere. Khamenei verlangte, den Saudis die heiligen Stätten von Mekka und Medina zu entreißen. In Riad dagegen fordert Prinz Mohammed bin Salman, der mächtige Königssohn, die Iraner müssten der islamischen Revolution abschwören und dem mit ihr verbunden Führungsanspruch in der muslimischen Welt, wenn sie wie ein normaler Staat behandelt werden wollten.

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Die Türken schicken Soldaten nach Katar - sie sind vom Geld aus dem Emirat abhängig

Überlagert wird dies nun von der Krise um Katar. Dabei spielt für die Saudis und Bahrain das Verhältnis des kleinen Nachbarn zu Iran eine wichtige Rolle. Sie werfen Teheran vor, Unruhe in der ölreichen schiitisch dominierten Ostprovinz zu stiften und gegen das sunnitische Königshaus in Bahrain zu opponieren, das über eine zu 70 Prozent schiitische Bevölkerung herrscht. Katar, so heißt es, befördere dies, unterstütze sogar die Huthis in Jemen, gegen die es indes 1000 Mann in die Saudi-Allianz abgestellt hatte.

Für die benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten steht dagegen die Unterstützung Katars für die Muslimbruderschaft im Vordergrund. Aber auch dort gibt es Schnittpunkte mit Iran - Stichwort Hamas. Ägyptische Medien streuen Gerüchte, Revolutionsgardisten würden den Palast in Doha schützen, der Hauptstadt Katars. Die Emirate geben zu erkennen, dass sie eine Palastrevolte aus der Familie des Emirs stützen könnten. Und die Türkei, wie Katar Förderer der Muslimbrüder und vom Geld aus dem Emirat abhängig, will zusätzlich Soldaten auf die Halbinsel verlegen, wo sie wegen eines bestehenden Abkommens 150 Mann auf einem Luftwaffenstützpunkt stationiert hat - ein Signal für die Saudis, nur nicht auf die Idee zu kommen, im Emirat einzumarschieren.

Und die USA? Unter Präsident Barack Obama waren sie eine Kraft des Ausgleichs. Donald Trump aber heizt mit seinen Tweets den Konflikt an - nur um tags darauf den Emir von Katar anzurufen, um einen Versöhnungsgipfel im Weißen Haus anzubieten. Von Teheran bis Moskau wird das halb amüsiert über die Inkompetenz und halb besorgt über die Unberechenbarkeit aufgenommen. Ein hoher westlicher Diplomat fühlt sich an einen Flipper-Automaten erinnert: "Beim Multiball muss man mehrere Kugeln gleichzeitig im Spiel halten." Drückt man einmal den falschen Knopf, blinkt es: "Game over!"

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