Süddeutsche Zeitung

Naher Osten:Konflikt zwischen Israel und Hamas droht zu eskalieren

Palästinenser feuern 50 Raketen auf israelischen Boden ab, Israel reagiert mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen - in Nahost droht das Ende der Waffenruhe. Israels Vize-Regierungschef erklärt, dass "alle Optionen offen" seien, falls die Situation weiter eskaliere.

Im Nahen Osten droht ein Ende der seit über einem Jahr anhaltenden Waffenruhe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Die israelischen Streitkräfte flogen am Mittwoch erneut Luftangriffe. Damit reagierten sie auf Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen.

Beim israelischen Luftangriff am Mittwoch starb ein 21-jähriger Palästinenser. Das Mitglied des "Komitees für Volkswiderstand" sei auf seinem Motorrad westlich von Rafah von einer Rakete getroffen worden, berichteten palästinensische Rettungskräfte. Die israelische Armee bestätigte den Angriff. Damit sind in den letzten drei Tagen insgesamt acht Palästinenser bei israelischen Luftangriffen getötet worden.

Auslöser für den israelischen Angriff am Mittwoch sollen militante Palästinenser gewesen sein, die mindestens sechs Raketen abgefeuert hatten. Vier Polizisten seien dabei leicht verletzt worden. Daraufhin griff die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben in der Nacht acht Ziele im Gaza-Streifen an, darunter einen Schmugglertunnel bei der Grenze zu Ägypten.

Nach Angaben der Streitkräfte schlugen seit Dienstag rund 50 Raketen auf israelischem Boden ein. Die Extremistengruppe Islamischer Dschihad hatte für Dienstag um Mitternacht den Beginn einer Waffenruhe ausgerufen, die aber durch den neuerlichen Beschuss am Mittwoch bereits nach wenigen Stunden wieder gebrochen wurde.

Bei Angriffen am Dienstag sollen drei Palästinenser getötet worden sein, darunter ein zweijähriges Mädchen. Palästinensischen Angaben zufolge kam das Kind in Gaza-Stadt ums Leben. Bewaffnete Palästinenser wollten demzufolge vom Haus seiner Eltern aus eine Rakete auf Israel abfeuern. Daraufhin soll das Haus von einer israelischen Rakete getroffen worden sein. Das israelische Militär dementierte das jedoch. Es sei wohl eine der selbstgebauten Kleinraketen der Palästinenser vorzeitig explodiert, hieß es.

"Alle Optionen offen"

"Wenn die Situation weiter eskaliert - und ich hoffe, sie wird es nicht - dann sind alle Optionen offen", sagte Israels Vize-Ministerpräsident Silvan Schalom dem Sender Israel Radio. Einen Angriff israelischer Bodentruppen auf die Hamas im Gaza-Streifen sollte sein Land nicht fürchten. Ein Sprecher der Hamas erklärte, die Luftangriffe hätten den militärischen Flügel dazu bewogen, "eine harte Haltung" einzunehmen.

Die Raketenangriffe wurden ausgelöst durch einen Angriff von militanten Israel-Gegnern im ägyptisch-israelischen Grenzgebiet am Montag, kurz nachdem sich die Muslimbruderschaft zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Ägypten erklärt hatte. Dabei wurden ein israelischer Arbeiter und zwei Angreifer getötet. In Bekennervideos, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen, erklärten sich ein Ägypter und ein Saudi verantwortlich. Der Wahrheitsgehalt der Aufzeichnungen konnte nicht überprüft werden.

UN: Rückschlag für die internationalen Friedensbemühungen

Angesichts der Entwicklungen im Nahen Osten zeigten sich die Vereinten Nationen nach Monaten der vorsichtigen Hoffnung pessimistisch. Neue Gewalt der Palästinenser und neue Siedlungen der Israelis bedeuteten einen Rückschlag für die internationalen Friedensbemühungen, sagte der Vizechef der politischen Abteilung der UN, Oscar Fernández-Taranco, im Sicherheitsrat in New York.

Hinzu komme, dass die Wirtschaft in den Palästinensergebieten nach kräftigem Wachstum nun Ermüdungserscheinungen zeige. "Im letzten Quartal 2011 ist die Wirtschaft nur um zwei Prozent gewachsen", sagte Fernández-Taranco. "Zudem wuchs die Arbeitslosigkeit um drei Punkte auf nun 24 Prozent. Das ist eine der größten Herausforderungen." Das Problem werde noch dadurch verstärkt, dass gerade Jugendliche oft keine Arbeit fänden. Die Wirtschaft werde zudem ausgebremst, weil die Palästinensergebiete nicht genug Elektrizität hätten. Das Kraftwerk im Gaza-Streifen habe so wenig Brennstoff, dass es nur 30 statt 90 Megawatt Leistung bringe.

Fernández-Taranco kritisierte die jüngsten Siedlungspläne Israels scharf. "Das ist eine Verletzung des internationalen Rechts und auch der israelischen Verpflichtungen für den Friedensplan. Die von uns gewollte Zwei-Staaten-Lösung wird so weiter erschwert." Der Argentinier rügte aber auch die Raketen- und Mörserangriffe auf Israel. "Wir verurteilen jeden Raketenangriff von Gaza auf Israel. Zugleich fordern wir Israel zu größtmöglicher Zurückhaltung auf."

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