Das Bundeskabinett hat am Montag den Entwurf für einen zweiten Nachtragshaushalt 2021 beschlossen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte: "Das ist ein Signal unserer Handlungsfähigkeit, und es ist Ausdruck von Gestaltungswillen." Konkret geht es darum, ungenutzte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro, die für die Pandemiebekämpfung gedacht waren, stattdessen für den Klimaschutz und für Investitionen in die Transformation der Wirtschaft zu nutzen. Dafür werden die Mittel in den Energie- und Klimafonds verschoben, der zu einem "Klima- und Transformationsfonds" ausgebaut werden soll.
Auf dieses Vorgehen hatten sich SPD, Grüne und FDP in den Koalitionsverhandlungen verständigt. In den Gesprächen hatte vor allem die FDP darauf gepocht, dass die Schuldenbremse von 2023 an wieder eingehalten werden müsse. SPD und Grüne wiederum hatten großen Wert darauf gelegt, dass die neue Regierung massiv in Klimaschutz und Digitalisierung investieren solle. Mit dem haushaltspolitischen Kniff, ungenutzte Kredite umzuwidmen und in den kommenden Jahren für Investitionen zu nutzen, verschaffen sich die Koalitionäre nun ein Finanzpolster jenseits der Schuldenbremse. Wegen der Notsituation durch die Corona-Krise greift 2021 und 2022 noch einmal die Ausnahmeregel von der Schuldenbremse, bevor die Neuverschuldung 2023 wieder zurückgefahren werden soll.
Lindner betonte, dass die geplante Nettokreditaufnahme von 240 Milliarden Euro nicht überschritten werde. "Es werden keine neuen Schulden aufgenommen, das ist mir wichtig." Allerdings ließ er unerwähnt, dass die Regierung alternativ auf die ungenutzten Kredite hätte verzichten können - wodurch die Neuverschuldung gesunken wäre.
Kritik vom Bundesrechnungshof
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) lobte: "Wir können mit den Mitteln Investitionen hebeln, bei denen wirtschaftliche Erholung und Klimaschutz Hand in Hand gehen." Kritik kam dagegen vom Bundesrechnungshof. Dessen Präsident Kay Scheller sagte der SZ: "Kreditermächtigungen gelten nur für das laufende Jahr, für das sie benötigt werden." Würden sie für künftige Haushaltsjahre eingesetzt, widerspreche das den Grundsätzen der "Jährlichkeit, Haushaltsklarheit und -wahrheit". Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: "Schattenhaushalte sind Grund zur Sorge."
Lindner rechtfertigte das Vorgehen damit, dass notwendige Investitionen finanziert würden, die wegen der Pandemie ausgeblieben seien. Unter anderem solle der "Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft" ermöglicht werden. Zugleich äußerte er die Erwartung, "dass möglicherweise sogar weniger Kredite aufgenommen werden müssen als ursprünglich geplant". Rechnungshofpräsident Scheller findet das offenbar wenig überzeugend. Die notwendige Verbindung des Nachtragshaushalts zur Notsituation der Corona-Pandemie sei nicht ersichtlich. Am Donnerstag berät der Bundestag über den Nachtragshaushalt.