Nachschlagewerk:Gutes Leben in der Stadt

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Der Zukunftsalmanach von Harald Welzer und seinen Kollegen weist anhand von zahlreichen Beispielen Wege zu mehr Nachhaltigkeit.

Von Werner Hornung

Bevor der neue Futurzwei-Zukunftsalmanach aufgeblättert wird, erst ein paar Fragen von Bert Brecht: "Weißt du, was ein Wald ist? Ist ein Wald etwa nur 10 000 Klafter Holz? Oder ist er eine grüne Menschenfreude?" Passende Antworten darauf finden sich in diesem Taschenbuch, das achtundfünfzig "Geschichten vom guten Umgang mit der Welt" liefert. Für die Almanach-Edition 2017/18 haben die Herausgeber gemeinsam mit dem Goethe-Institut den Schwerpunkt "Stadt" gewählt. Deshalb ist zum Beispiel auch ein Bericht über urbane Wald-Projekte in Leipzig zu lesen, hier hat man triste Brachflächen in erholsames Grün umgewandelt.

Gründer der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei mit Sitz in Berlin ist das Organisationstalent und Mitherausgeber Harald Welzer; ein leidenschaftlicher Demokrat, der vorneweg in einem Essay die fatalen Folgen des Neoliberalismus kritisiert und für eine öko-soziale Politik, für Nachhaltigkeit und mehr Gerechtigkeit wirbt. Längst gibt es ja genug einfallsreiche Bürger, die mit kleinen Schritten etwas Großes erreichen wollen: eine bessere Welt. Viele solcher Aktionen oder alternativer Lebensformen werden im Hauptteil vorgestellt. Jeder Artikel umfasst ungefähr fünf Seiten und hat einen nützlichen Info-Kasten samt Internet-Adressen. Sollte bei der Lektüre ein Fachbegriff unklar sein, kann hinten im Glossar zwischen "Anthropozän" und "Zwischennutzung" nachgeschlagen werden.

Damit ist das Buch ein Ideenpool für Stadtbewohner, denen ein zukunftsfähiger Lebensraum wichtig ist. Meist zustimmend lesen wir all die globalen Geschichten. Sie stammen aus neunzehn Ländern, genauer: aus München, Weimar, Klagenfurt, Montreal, Los Angeles, Hongkong oder Melbourne. Über die Südtiroler Marktgemeinde Mals etwa ist zu erfahren, dass dort im Vinschgau seit Jahren gegen den Einsatz krebserregender Pflanzenschutzmittel beim Apfelanbau protestiert wurde. Inzwischen hat die Bürgerinitiative bei einem Volksentscheid mit großer Mehrheit gesiegt. Der Ort ist nun fast pestizidfrei.

Um Pestizide, rot-grünen Protest und zwei Bienenvölker auf dem Bundestagsareal geht es unter anderem im abschließenden Essay, den Mitherausgeberin Saskia Hebert verfasst hat. In ihrem thematisch vielfältig angelegten Aufsatz beschreibt die Stadtforscherin historische Entwicklungen, gegenwärtige Probleme und urbane Handlungsspielräume; dabei reicht ihre stilistische Variationsbreite von Soziologen-Prosa auf mittlerem Abstraktionsniveau bis hin zu Aphorismen fürs kommunalpolitische Poesiealbum: "Die Stadt ist kein Ponyhof."

Werner Hornung bespricht seit fast 50 Jahren politische Bücher.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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