Nachruf:Runter vom Paragrafenturm
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Im Januar starb der Richter Theo Rasehorn. Er wurde 97 Jahre alt. Wer war der Aufklärer, der vor 50 Jahren als Nestbeschmutzer galt?
Von Heribert Prantl
Den Namen des Mannes, der als Jungsozialist am Tor des Kanzleramts gerüttelt hat, kennt fast jeder; es war Gerhard Schröder, der nachmalige Bundeskanzler. Den Namen des Mannes, der an einem ganzen Turm gerüttelt hat, kennen nur wenige: Theo Rasehorn. Er war zuletzt Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Frankfurt. Die Kampf- und Streitschrift, die er 1966 unter dem Pseudonym Xaver Berra publizierte, hieß: "Im Paragrafenturm". Sie war der Weckruf für eine demokratische Justiz. Sie blieb Programm für eine ganze Generation von Richterinnen und Richtern. Man kann sich kaum noch vorstellen, welch autoritär-konservative Staatsgewalt die Justiz damals war. Dass sie sich heute als Teil der demokratischen Gesellschaft versteht, ist Leuten wie Theo Rasehorn zu verdanken. Für ihn war Rechtspolitik ein Teil der Gesellschaftspolitik. Er war Streiter für eine menschliche Justiz, ein Aufklärer. Vor 50 Jahren galt er als Nestbeschmutzer. "Rasehorn propagiert extreme, die geltende Rechtsordnung infrage stellende Auffassungen", klagte damals der Richterbund. Heute finden sich diese Auffassungen von der Unabhängigkeit der Justiz in dessen Programm. Aufgewachsen war Rasehorn in einem NS-resistenten, katholischen, von preußischem Geist geprägten Elternhaus. Als er in die Justiz eintrat, fand er dort die alten Nazi-Richter vor, die weitermachten, als ob nichts geschehen sei. Rasehorn schrieb als einer der ersten dagegen an: "Justiz im NS-Zwielicht" hieß sein Aufsatz von 1959. Von politischer Zurückhaltung hielt er wenig, ob es um Atomraketen ging oder um Berufsverbote. Der hagere Herr, der bedächtig, aber mit Nachdruck sprach, sah die Richter mitten im Leben. Theo Rasehorn ist am 16. Januar im Alter von 97 Jahren gestorben.
An diesem Samstag findet in Bad Godesberg die Gedenkfeier für ihn statt.