Nachruf:Margot Honecker - Ministerin, First Lady und Kommunistin

Margot Honecker

Margot Honecker im chilenischen Dorf Pomaire im September 2011.

(Foto: dpa)

Die mächtigste Frau der einstigen DDR ist im Alter von 89 Jahren in Chile gestorben. Sie hatte den Mauerbau bis zuletzt verteidigt.

Nachruf von Peter Burghardt

In einem Viertel, das La Reina heißt, die Königin, wohnte fast ein Vierteljahrhundert lang die früher mächtigste Frau der Deutschen Demokratischen Republik. 1992 waren die Honeckers nach Santiago de Chile gezogen, gut zwei Jahre nach dem Mauerfall, ihre Tochter Sonja hatte einen Chilenen geheiratet. Seit der Regierungszeit des Sozialisten Salvador Allende gab es ja gute Verbindungen zwischen chilenischen und ostdeutschen Linken. So setzte sich das einstmals führende Paar der DDR nach einer Odyssee schließlich fast 13 000 Kilometer weit nach Westen ab, als es diese DDR nicht mehr gab.

Erich Honecker überlebte die Flucht in die Ferne kaum zwei Jahre lang, er starb 1994 im Alter von 81 Jahren in Santiago. Margot Honecker überstand diese neue Zeit als machtlose Exilantin sehr viel länger, Chile wurde ihre zweite Heimat. Als man sie vor einigen Jahren aufsuchte, da landete man vor einer unauffälligen Wohnanlage hinter Mauern in dem bürgerlichen, keineswegs übermäßig schicken Stadtteil La Reina. Als man klingelte, meldete sich die Witwe selbst, tat erst so, als sei sie eine andere, und sagte dann: "Sie stören." Beim Versuch eines Telefonats hielt Margot Honecker einen Vortrag über die deutsche Presse, und als man der Dame mit dem graumelierten Haar auf der Straße begegnete, da wollte sie auch nicht reden: "Bemühen Sie sich nicht. Ich sage nein, und dabei bleibt es. Geben Sie es auf, bei mir haben Sie kein Glück."

Mit diesem vereinten Alemania wollte sie wenig zu tun haben, ohnehin waren ihre öffentlichen Auftritte gezählt. Mal veröffentlichte ein ehemaliger KP-Generalsekretär Chiles ein Gesprächsbuch über sie und ihre DDR ("Ich werde meine Weltsicht nicht auf dem Altar der Zeitgeschichte opfern"). Mal bekam sie einen Orden von Nicaraguas Revolutionsführer Daniel Ortega, mal tauchte sie als Ehrengast in Havanna bei den Castros auf; Fidel Castro ist ein knappes Jahr jünger als sie. Mal machte ein Video die Runde, in dem sie den 60. Jahrestag der verblichenen DDR feierte.

Den Sozialismus und die Stasi verteidigte sie fast bis zum Schluss. "Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern, um diese Dummheit mit dem Leben zu bezahlen", sagte sie. Erst der griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA lieferte die Rentnerin 2015 ein paar vergleichsweise nachdenkliche Zitate: "Ja", war da zu lesen, "an der Berliner Mauer starben Menschen - Flüchtlinge und Grenzsoldaten der DDR. Jeder Mensch, der gewaltsam zu Tode kommt, ist zu bedauern. Jeder, der beim Versuch, die Grenze illegal zu überwinden, zu Tode kam, war einer zu viel. Es brachte Leid für die Familien." Trotzdem fand sie den Mauerbau richtig und übte allenfalls milde Kritik an der einstigen DDR-Führung, der ihr Mann vorsaß und zu der sie selbst gehört hatte: "Wir hätten vieles besser machen müssen." Die DDR sei "kein Paradies" gewesen, "es gab Mängel, die den Alltag erschwerten, Mängel in der Versorgung, Mängel im politischen Alltag." Doch "im Vergleich mit den in den meisten kapitalistischen Staaten heute herrschenden Bedingungen hatten wir fast paradiesische Verhältnisse."

Menschen, die unter ihr gelebt haben, müssen das beurteilen. Margot Honecker wurde 1927 als Margot Feist geboren, trat 1945 der KPD bei, gelangte in den Vorstand der FDJ und heiratete 1953 den 15 Jahre älteren Erich Honecker. Sie galt als intelligent, ehrgeizig, machtbewusst, kühl. 1963 wurde sie Ministerin für Volksbildung und führte etwa den Wehrkundeunterricht mit Waffenübungen ein. Ihr Amt hatte sie bis 1989 inne, als sich ihr Land samt seinem System auflöste. Am Freitagabend wurde in Santiago bekannt, dass Margot Honecker im Alter von 89 Jahren gestorben ist.

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