Der britische Geheimdienst hat sich systematisch im Rahmen der Operation "Tempora" über Glasfaserkabel Zugang zu Internet- und Telefondaten aus Deutschland verschafft. Wie aus geheimen Dokumenten hervorgeht, über die der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden verfügt, hat nach Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung der britische Nachrichtendienst Government Communications Headquarters (GCHQ) unter anderem das Glasfaserkabel TAT-14 ausgespäht, über das ein großer Teil der deutschen Übersee-Kommunikation abgewickelt wird.
Der deutsche Knotenpunkt für das Kabel ist die Stadt Norden in Ostfriesland. Vermutlich wurden die Daten in der britischen Küstenstadt Bude abgefangen. Weder die Bundesregierung noch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND wussten offenbar von dem Lauschangriff.
Hilfe von Vodafone und British Telecommunications
Beim Ausspähen sollen dem britischen Geheimdienst zwei Telefongesellschaften behilflich gewesen sein. Angeblich handelt es sich dabei um Vodafone und British Telecommunications (BT). Vodafone betonte in einer ersten Stellungnahme, man halte sich an die Gesetze der Länder, in denen man tätig sei. Weitere Angaben wollte das Unternehmen unter Verweis auf die "nationale Sicherheit" nicht machen. BT lehnte auf Anfrage jeden Kommentar ab.
Das Überwachungsprogramm "Tempora" ist nach Angaben von Snowden "schlimmer" als das jüngst bekannt gewordene "Prism"-Programm der USA. So soll sich der britische GCHQ heimlichen Zugang zu mehr als 200 Glasfaserkabeln weltweit verschafft haben - darunter auch TAT-14.
Deutsche Telekom hat "keine Erkenntnisse"
Das 15.000 Kilometer lange Überseekabel wurde 2001 von einem internationalen Konsortium in Betrieb genommen. Weite Teile der Telefon- und Internetkommunikation laufen über das Kabel auf dem Meeresgrund, das Deutschland via Großbritannien mit den USA verbindet. Deutscher Teilhaber der Datenleitung ist die Deutsche Telekom. Dem Unternehmen liegen nach eigenen Angaben "keine Erkenntnisse" zum britischen Lauschprogramm vor.
Die Bundesregierung habe der britischen Botschaft Fragen zum "Tempora"-Programm übermittelt, sagte ein Sprecher. Ziel sei es, "Aufklärung zu schaffen, was da auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang passiert", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte: "Großbritannien ist Mitgliedstaat, also gelten auch die Datenschutzstandards der Europäischen Union." Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisierte die "offenkundige Totalausspähung" durch den britischen Dienst.
Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden war am Sonntag von Hongkong nach Russland gereist. Dort verlor sich zunächst seine Spur. Snowden hat im südamerikanischen Ecuador Asyl beantragt. Die ecuadorianische Regierung teilte mit, man werde zu gegebener Zeit darüber entscheiden. US-Außenminister John Kerry warnte China und Russland vor Konsequenzen für die gegenseitigen Beziehungen.