Nachfolger für Wowereit:Es fehlt ein dritter Kandidat

Abgeordnetenhaus Berlin

Jan Stöß und Raed Saleh (rechts): Einer von ihnen wird nach Lage der Dinge der nächste Regierende Bürgermeister von Berlin werden

(Foto: picture alliance / dpa)

Jan Stöß und Raed Saleh wollen Klaus Wowereit beerben und Regierender Bürgermeister von Berlin werden. Der eine ist nicht einmal Mitglied im Abgeordnetenhaus. Der andere fällt bisher vor allem durch Loyalität zu seinem Chef auf. Diejenigen, die es wirklich könnten, haben schon abgesagt.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die beiden werden es wohl unter sich ausmachen. Raed Saleh und Jan Stöß, einer von ihnen wird nach Lage der Dinge der nächste Regierende Bürgermeister von Berlin werden. Zwei die sich nicht leiden können. Zwei, die selbst der scheidende Klaus Wowereit im Grunde nicht für fähig hält, sein geliebtes Berlin zu regieren. Der Tagesspiegel meldet, SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel habe den EU-Politiker Martin Schulz - in Absprache mit Wowereit - gefragt, ob er in Berlin antreten wolle. Schulz hat aus Gabriels Sicht einen überaus erfolgreichen Europawahlkampf geführt, sagte aber ab. Zu zerstritten sei der SPD-Haufen in Berlin, wird kolportiert.

Es fehlt ein dritter Mann im Spiel der Kandidaten. Oder noch besser: eine Frau. Eine Person, deren Aufgabe es wäre, Stöß oder Salah zu verhindern.

Die, die es könnten, haben aber auch schon abgewinkt. Eva Högl etwa, im Bundestag anerkannte Fachfrau für heikle Aufgaben. Oder Integrationssenatorin Dilek Kolat. Ulrich Nußbaum, der erfolgreiche und beliebte Finanzsenator, hat sich bisher nicht erklärt. Seine Kandidatur gilt aber als unwahrscheinlich. Er fühle sich ganz wohl ohne Parteibuch, sagt er kürzlich. Einen Parteilosen in das Amt des Regierenden zu hieven, bei aller Liebe, das macht die SPD nicht so gerne.

Also diese beiden, Raed Saleh und Jan Stöß. Wer sie nicht kennt: Saleh ist seit 2011 Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus zu Berlin. Ein Job, den er gut macht. Er ist ein ausgewiesener Strippenzieher und Stratege. Besonders gut ist er darin, Wowereit die Loyalität der Fraktion zu sichern.

Mit bahnbrechenden eigenen Vorschlägen ist er aber bisher nicht aufgefallen. Eher mit seiner für einen Fraktionschef ungewöhnlichen Biografie. Saleh wurde 1977 in Samaria im palästinensischen Westjordanland geboren. Seine Eltern flohen vor der Gewalt nach Deutschland, nach Berlin. Saleh lernte das harte Leben als Flüchtlingskind kennen. Er kämpfte sich hoch und wurde nach einem abgebrochenen Medizinstudium erfolgreicher Unternehmer. Seit 2006 sitzt er für die SPD im Abgeordnetenhaus.

Wowereit wird wohl eher Saleh unterstützen, wenn es wie erwartet zu einem Mitgliederentscheid über seine Nachfolge kommt. Auf der Pressekonferenz zu seinem Rücktritt lobte er am Dienstag Saleh ausdrücklich für seine Loyalität. Zu Stöß verlor er kein Wort.

Jan Stöß hat Wowereit vor einiger Zeit eine bittere Niederlage beigebracht. Anfang 2012 wurde auf einem Landesparteitag über den Chef der Berliner SPD entschieden. Zur Wiederwahl trat - unterstützt von Wowereit und äußerst siegessicher - Michael Müller an. Jan Stöß kämpfte auf eigene Faust. Und gewann, wenn auch knapp. Der Stachel sitzt bis heute tief in Wowereits Fleisch.

Schwer zu sagen, wer sich durchsetzt

Der gebürtige Hildesheimer Stöß ist erst zum Jura-Studium nach Berlin gekommen. Er arbeitete seit 2007 als Richter am Berliner Verwaltungsgericht, Politik macht er nebenbei. Er war Bezirksstadtrat in Kreuzberg-Friedrichshain und ist seit 2012 SPD-Landeschef - sein bisher höchstes Amt.

Im Abgeordnetenhaus war er bisher nicht vertreten. Auch ein Grund, seine Befähigung in Zweifel zu ziehen. Mit Wowereit hat nur gemeinsam, dass beide homosexuell sind. Stöß, schrieb einmal die Zeit, sei "ein bundespolitischer Nobody", an dem "einiges ziemlich groß geraten ist, sein Körper, seine Brille, sein Selbstbewusstsein".

Stöß legte sich gerne mit Wowereit an. Er sorgte etwa unerschrocken dafür, dass Wowereits Kulturstaatsekretär André Schmitz wegen dessen Steueraffäre jegliche Unterstützung der Landes-SPD entzogen wurde. Er hat damit nicht nur einen ins Straucheln geratenen Politiker zu Fall gebracht. Sondern auch einen persönlichen Freund Wowereits.

Stöß hat einen entscheidenden Vorteil: Als Landeschef der Partei bestimmt er quasi das Nachfolge-Verfahren. Der Mitgliederentscheid ist seine Idee. Und sein großer Vorteil gegenüber Saleh. Während Saleh vor allem darauf setzte, Wowereit gut aussehen zu lassen - mit der nicht erfüllten Hoffnung, im Gegenzug vom Chef als Nachfolger präsentiert zu werden - hat Stöß frei von anderen politischen Verpflichtungen schon zwei Jahre Wahlkampftour hinter sich. Er hält Kontakt zu Unternehmen, in gesellschaftliche Gruppen und präsentiert sich dort als geduldiger Zuhörer.

Saleh dagegen wirkt immer etwas aggressiv, selbst wenn er es nett meint. Anders als andere Politiker mit Migrationshintergrund kann er seine Herkunft sprachlich kaum verbergen. Während etwa der Grünen-Chef Cem Özdemir auf Knopfdruck losschwäbeln kann, berlinert Salehs auch bei Reden im Senat so, wie es auf den Straßen Neuköllns klingt. Das dürfte zumindest gewöhnungsbedürftig sein für manche SPD-Ohren aus Zehlendorf und Charlottenburg.

Wer von beiden sich durchsetzt, lässt sich schwer sagen. Stöß hat große Teile der Partei hinter sich. Aber ob er auch an der Basis so gut ankommt, wie er von sich glaubt, ist nicht ausgemacht. Saleh ist eher der Mann für die Hinterzimmer als für die große Bühne. Leichte Vorteile dürfte Stöß haben. Auch ohne Wowereits Unterstützung.

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