Nachfolge für Steinmeier:Was für Martin Schulz als Außenminister spricht - und was gegen ihn

Schulz und Steinmeier

Folgt Martin Schulz (links) auf Frank-Walter Steinmeier?

(Foto: dpa)

Europaparlamentschef Martin Schulz könnte als deutscher Außenminister auf Steinmeier folgen. Doch SPD-Chef Gabriel hätte dann womöglich ein Problem.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Die eine Personalfrage ist endlich vom Tisch. Jetzt steht die nächste an, und die ist auch nicht ganz unwichtig. Wer wird Außenminister, wenn der jetzige Amtschef demnächst als Bundespräsident ins Schloss Bellevue einzieht?

Bisher wird nur ein Name immer wieder genannt: Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments. Ein Europa-Politiker und -Verteidiger durch und durch. Und ein SPD-Mann, was in dem Zusammenhang nicht ganz unwichtig ist.

Zwar hat der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jürgen Hardt, das Amt am Montag mal eben für die Union reklamiert. Aber daraus wird ziemlich sicher nichts. Weil es so im Koalitionsvertrag steht, ein Anrecht, das die SPD sich in den Koalitionsverhandlungen hart erkämpft hat. Und weil es eine Kabinettsumbildung zur Folge hätte, die so kurz vor der Wahl niemand wollen kann in der Koalition.

Bleiben wir bei Martin Schulz. Ihn zum Außenminister zu machen, hätte gleich mehrere Vorteile:

  • Schulz ist bekannt als leidenschaftlicher Kämpfer für die europäische Sache. Er könnte der Debatte um die Zukunft der Europäischen Union deutlichen Schwung geben. Und die SPD wieder als Europa-Partei positionieren. Er steht etwa für eine Vertiefung der politischen Union. Während Steinmeier vor allem nach dem Austrittsvotum der Briten erst mal fürs Innehalten plädiert.
  • Schulz ist international bestens vernetzt, mit den wichtigsten Akteuren auf EU-Ebene duzt er sich. Er spricht einwandfrei englisch, niederländisch und am liebsten französisch. Er gilt als erfahrener und verlässlicher Verhandler.
  • Schulz ist den Deutschen kein Unbekannter mehr. Spätestens seit der Europawahl 2014 konnte er seinen Bekanntheitsgrad massiv steigern. Damals trat er als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokaten an - und katapulierte die Bundes-SPD auf für diese Zeiten fast schon schwindelerregende 27,3 Prozent.
  • Er würde der neuen Trump-Administration in den USA mit erkennbarem Selbstbewusstsein entgegentreten. Das kann nicht schaden.
  • In der SPD wäre mal wieder ein Nichtakademiker in der ersten Reihe. Schulz war in seinem früheren Leben fast 20 Jahre lang Buchhändler und später Bürgermeister seiner 38 000-Einwohner-Heimatstadt Würselen bei Aachen. In seinen jungen Jahren war er Alkoholiker, gescheiterter Gymnasiast, ein Jahr arbeitslos. "Ich war ein Sausack", sagte er heute über diese Zeit. Er hat also etwas mitgemacht im Leben. Das ist Gold wert in einer Partei, die inzwischen die eigene Überakademisierung beklagt.

Für Schulz käme der Schritt zu einem günstigen Zeitpunkt. Mit den Christdemokraten der EVP im Europäischen Parlament gibt es die Abmachung, dass er den Posten des Parlamentspräsidenten nach der halben Wahlperiode abgibt. Das wäre demnächst der Fall.

Allerdings hat die EVP noch keinen konkreten Nachfolgekandidaten präsentiert. Und Schulz würde sicher weitermachen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker, ein Christdemokrat, wünscht sich eine längere Amtszeit für Schulz.

Mit Schulz als Außenminister droht ein Machtkampf in der SPD

SPD-Chef Sigmar Gabriel hätte mit Schulz allerdings womöglich auch ein Problem an der Backe. Noch ist nicht entschieden, wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Schulz gilt seit Längerem als mögliche Alternative zum oft unglücklich agierenden Gabriel. In Umfragen werden ihm im Duell mit der Kanzlerin zwar keine Sieg-, aber doch weitaus bessere Chancen eingeräumt als dem SPD-Chef.

Wenn Schulz dann noch das Auswärtige Amt im positiven Sinne aufmischt, wird sich automatisch die Frage stellen, ob nicht besser er gegen Kanzlerin Angela Merkel antreten sollte, anstatt Sigmar Gabriel.

Und sollte er in diesem Fall dann nicht auch gleich den Parteivorsitz mit übernehmen? Schulz wird nachgesagt, dass er sich ungern mit dem kleinen Finger zufriedengibt, wenn er die ganze Hand haben kann. Dann stünde allerdings ein echter Machtkampf an. Gabriel will das Amt des Parteichefs unbedingt behalten.

Wie hartnäckig Schulz sein kann, zeigt das Beispiel Ceta. Als die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit Kanada am Votum einer belgischen Region zu scheitern drohten, mischte er sich direkt in die Verhandlungen ein. Und überzeugte die kanadische Delegation zu bleiben. Vorbei an allen protokollarischen Hierarchien. Das nervt in Brüssel viele. Aber der Erfolg gab ihm recht: Am Ende wurde das Abkommen doch noch unterzeichnet.

Allerdings ist auch Gabriel gerade wieder in einer starken Position. Er hat den kommenden Bundespräsidenten gemacht, hat den Moment der Schwäche innerhalb der Union ausgenutzt. Und gegen den Willen von Merkel Steinmeier durchgesetzt, den voraussichtlich dritten Bundespräsidenten nach Gustav Heinemann und Johannes Rau mit SPD-Parteibuch.

Für Schulz dürfte eine wichtige Frage sein: Was passiert nach der Bundestagswahl 2017 mit ihm? Kann er Außenminister bleiben, wenn es wieder zu einer großen Koalition kommt - wovon wohl auszugehen ist? Oder wird er sich mit einem kleinen Plätzchen in der Fraktion begnügen müssen? Er wird ein paar Garantien verlangen. Ansonsten kann er auch gleich im Europaparlament bleiben. Brüssel liegt deutlich näher an Würselen als Berlin. Und das hat nicht nur etwas mit Geografie zu tun.

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