Süddeutsche Zeitung

Nach Wulffs Entschuldigung:Unionspolitiker erklären Kreditaffäre für beendet

Nach Christian Wulffs Mea Culpa haben sich Bildungsministerin Schavan und Finanzminister Schäuble für ein Ende der Debatte um den Bundespräsidenten ausgesprochen - im Gegensatz zur Opposition. SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil kritisierte, Wulffs Trennung von seinem Sprecher sei kein Ersatz für die Aufklärung in der Sache. Es müsse geklärt werden, ob Wulff seinerzeit gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe.

Nach der Entschuldigung von Bundespräsident Christian Wulff in der Kreditaffäre haben sich Vertreter der Bundesregierung dafür ausgesprochen, die Diskussion um Wulff nun zu beenden und zur Diskussion über Sachthemen zurückzukehren. In Zeitungsinterviews warnten Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) vor möglichem Schaden, den das Amt des Bundespräsidenten ansonsten nehmen könnte.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Schavan sprach sich dafür aus, die Debatte um Wulff nun zu beenden. "Der Bundespräsident hat Informationen gegeben und sich für sein Verhalten entschuldigt. Jetzt sollten wir zu dem zurückkehren, was wirklich wichtig ist", sagte die Bundesbildungsministerin der Zeitung Welt am Sonntag. Mit der Art, wie gerade über den Bundespräsidenten diskutiert werde, könne man jedes politische Amt beschädigen. In Berlin werde "über manches viel zu aufgeregt diskutiert", kritisierte Schavan. Sie kenne Wulff zudem seit vielen Jahren und sei "davon überzeugt, dass er ein Bundespräsident ist, der unserem Land gut tut".

Ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Schäuble. "Wir haben ein hohes Interesse daran, dass das Amt des Bundespräsidenten unbeschädigt bleibt", sagte er der Bild am Sonntag. "Daher halte ich ein gewisses Maß an Zurückhaltung für sinnvoll."

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, sagte, er gehe davon aus, dass Wulff die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Belangen gewahrt habe. Juristisch sei ihm kein Vorwurf zu machen, erklärte Altmaier im Deutschlandfunk. Der Bundespräsident müsse aus dem parteipolitischem Streit herausgehalten werden. Die knappe Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte er nicht als Distanzierung verstanden wissen. Dies sei ein selbstverständlicher Ausdrucks des Respekts vor dem höchsten Staatsamt. Merkel habe mehrfach ihre Unterstützung für den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten deutlich gemacht.

Auch die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hält Wulffs Erklärung für ausreichend. "Seine Entschuldigung verdient Anerkennung, deshalb sollte nun Ruhe in die Debatte einkehren", sagte sie der Zeitung Die Welt.

Die Opposition dagegen fordert weiter Aufklärung. Wulffs Stellungnahme habe in der Sache nichts Neues gebracht, bemängelte der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Schostok. "Von einem Inhaber des höchsten Amtes im Staat ist mehr zu erwarten." Der Grünen-Fraktionschef in Hannover, Stefan Wenzel, sagte: "Das Verhalten von Herrn Wulff empfinde ich nicht als ausreichend souverän, der Aufklärungsbedarf bleibt."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte Wulffs persönliche Erklärung längst überfällig. Nun bleibe die weitere politische Aufarbeitung abzuwarten. SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil sagte, die Trennung von seinem Sprecher sei kein Ersatz für die Aufklärung in der Sache. Es müsse geklärt werden, ob Wulff seinerzeit gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe. Aus Sicht der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ist die Entschuldigung unzureichend.

Wulff war in den vergangenen Tagen unter anderem wegen eines Immobilienkredits unter Druck geraten. Außerdem wird ihm vorgeworfen, in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident teilweise gratis Urlaub in Ferienhäusern und Villen befreundeter Unternehmer gemacht zu haben. Angesichts der wachsenden Kritik hatte Wulff am Donnerstag mit einer Erklärung vor laufenden Kameras für sein Schweigen in der Affäre entschuldigt. Er räumte in einer persönlichen Erklärung im Berliner Schloss Bellevue ein, dass er als niedersächsischer Ministerpräsident den Kredit über 500.000 Euro, den er bei der Gattin eines befreundeten Unternehmers für sein Haus aufgenommen hatte, vor dem Landtag in Hannover hätte offenlegen sollen. "Das war nicht geradlinig und das tut mir leid." Gleichzeitig betonte Wulff, er wolle sein Amt weiter gewissenhaft fortführen. Dafür bitte er die Bürger um ihr Vertrauen.

Zuvor war Wulffs Sprecher und langjähriger enger Vertrauter Olaf Glaeseker von seinen Aufgaben entbunden worden. Wulff bedauerte das, Gründe nannte er aber nicht.

Aus Sicht des Bonner Politikwissenschaftlers Gerd Langguth ist die Glaubwürdigkeit des Präsidenten "nur temporär beschädigt". Langguth sagte der Passauer Neuen Presse: "Er hat jetzt die Chance, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen." Als großen Befreiungsschlag betrachtet der Politologe die Erklärung Wulffs aber noch nicht.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht in der Kreditaffäre des Bundespräsidenten nach wie vor erheblichen Klärungsbedarf. Die Ablehnung der Staatsanwaltschaft Hannover, Ermittlungen gegen Christian Wulff wegen einer möglichen früheren Vorteilsannahme im Amt anzustellen, sei "nicht nachvollziehbar", sagte von Arnim.

Bei der Staatsanwaltschaft Hannover waren im Zusammenhang mit dem Privatkredit und Urlaubsreisen Wulffs während seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident mehrere Anzeigen von Privatpersonen eingegangen. Ermitteln will die Staatsanwaltschaft aber nicht. Die Behörde hatte erklärt, das Geschehen erscheine insgesamt "plausibel und strafprozessual unverdächtig".

Von Arnim erklärte hingegen, das zeitliche Zusammentreffen der öffentlichen Entschuldigung Wulffs und der Erklärung der Staatsanwaltschaft Hannover am Donnerstag mache "hellhörig". Von Arnim sagte, Wulff habe als Ministerpräsident den zinsgünstigen Kredit von der Unternehmerfamilie Geerkens genommen und Egon Geerkens "im selben zeitlichen Zusammenhang auf Reisen ins Ausland mitgenommen". Der Rechtsexperte betonte: "Dies und die gesamten Umstände begründen meines Erachtens definitiv einen Anfangsverdacht, bei dessen Vorliegen die Staatsanwaltschaft ermitteln muss." Vor diesem Hintergrund müsse die Behauptung des Bundespräsidenten, er habe stets "juristisch rechtens" gehandelt, in Zweifel gezogen werden. Dies gelte auch im Hinblick auf die mögliche Verletzung des Verbots im Ministergesetz, Vorteile in Bezug auf das Amt anzunehmen.

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