Nach Wahl in Iran:Israel zelebriert den Pessimismus

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Jerusalem: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu warnt davor, den Druck auf Iran zu lockern. (Foto: Getty Images)

Die Iraner feiern die Wahl des moderaten Hassan Rohani, der Westen atmet auf - und Israel beobachtet das Ganze mit Angst und Argusaugen. An einen Kurswechsel Teherans glaubt die Regierung um Premierminister Netanjahu nicht. Stattdessen fürchtet sie, die Weltgemeinschaft könnte die Sanktionen gegen Iran lockern.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Iraner mögen feiern, die Welt mag hoffnungsvoll ein wenig aufatmen - in Israel aber wird der Pessimismus zelebriert angesichts des Präsidentenwechsels in Teheran. Ob an der Spitze des Staates nun der blindwütige Mahmud Ahmadinedschad steht oder der moderate Hassan Rohani, scheint aus Jerusalemer Sicht kaum einen Unterschied zu machen. Denn in der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu ist jeder davon überzeugt, dass auch der neue Präsident die alten Pläne für den Bau einer Atombombe verfolgt.

"Wir wollen uns nicht selbst betrügen", rief Netanjahu deshalb seinen Leuten am Sonntag zu Beginn der wöchentlichen Kabinettsitzung zu. Doch die wirklichen Adressaten seiner Warnung saßen gar nicht mit ihm am Tisch. "Die internationale Gemeinschaft", so fügte der Regierungschef an, "darf sich keinen Illusionen hingeben und sich nicht dazu hinreißen lassen, den Druck auf Iran zum Stopp des Atomprogramms zu lockern."

Israel erwartet also keine Kursveränderung in Teheran, befürchtet jedoch einen Kurswechsel im Westen. Schließlich stehen die dortigen Politiker generell unter Naivitätsverdacht, weshalb ihnen auch zugetraut wird, sich nun von einem freundlicher auftretenden Präsidenten blenden zu lassen, der im Wahlkampf eine Verbesserung der Beziehungen zur Außenwelt angekündigt hat. Mit Argusaugen und durchaus auch von Angst begleitet werden deshalb in Israel nun die Reaktionen auf die Teheraner Überraschungswahl ausgewertet.

Da ist zum einen die Erklärung von US-Außenminister John Kerry, der seine Bewunderung ausdrückt für den "Mut der iranischen Bevölkerung". Er ruft den neu gewählten Präsidenten dazu auf, im Atomstreit zu einer "diplomatischen Lösung zu kommen, die allen Bedenken der internationalen Gemeinschaft Rechnung trägt".

Ein moderates Teheran könnte Israel als Scharfmacher erscheinen lassen

Ähnlich klingt das bei Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der Rohani an seine "große Verantwortung gegenüber den Menschen in Iran und vor der Welt" erinnert und erwartet, "dass die iranische Führung mit dem neuen Präsidenten das ihre leistet, damit ohne weitere Verzögerung eine substanzielle Lösung des Nuklearkonflikts auf diplomatischem Weg erreicht werden kann".

Für Israel klingen solche Erklärungen entschieden zu harm- und zahnlos. Netanjahus Vertrauter Juval Steinitz, der einem Ministerium für strategische Angelegenheiten vorsteht, fordert deshalb, dass gleichsam als Begrüßungsgeschenk für den neuen Präsidenten die Sanktionen verschärft werden müssten, um das Regime zum Einlenken zu bewegen. Netanjahu selbst erinnert die Welt eindringlich dran, dass ohnehin nicht der Präsident, sondern der über jede Wahl erhabene religiöse Führer Ayatollah Ali Chamenei die Atompolitik bestimme. Die Weltgemeinschaft müsse deshalb unbeirrt am Ziel festhalten, das Nuklearprogramm "mit allen Mitteln zu stoppen".

Mit allen Mitteln - das schließt natürlich auch militärische Mittel ein. Die Drohung, notfalls auch im Alleingang die iranischen Atomanlagen zu zerstören, gehört zur israelischen Staatsräson. Doch mit einem Kontrahenten wie Ahmadinedschad war es gewiss leichter, Verständnis dafür zu wecken. Denn wenn der Gegner den Holocaust leugnet und dem jüdischen Staat das Existenzrecht abspricht, kann jeder die Gefahr nachvollziehen, der sich Israel ausgesetzt sieht. Ein moderater Präsident in Teheran könnte jedoch am Ende Israel als den Scharfmacher in diesem Konflikt erscheinen lassen.

© SZ vom 17.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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