Nach dem Votum des belgischen Parlaments für ein Burka-Verbot hat die Vizepräsidentin des europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin, ein Verbot des Ganzkörperschleiers auch in Deutschland und Europa gefordert. Die Burka sei ein massiver Angriff auf die Rechte der Frau, schrieb die FDP-Politikerin in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag.

"Ich wünsche mir, dass auch in Deutschland - und in ganz Europa - das Tragen aller Formen der Burka verboten wird." Wer Frauen verhüllt, nehme ihnen das Gesicht und damit ihre Persönlichkeit. Die Burka sei "ein mobiles Gefängnis", so Koch-Mehrin.
"Die vollständige Verhüllung von Frauen ist ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die wir in Europa nicht teilen", schrieb die Vorsitzende der FDP im EU-Parlament. Niemand solle in seiner persönlichen Freiheit und in seiner Religionsausübung eingeschränkt werden. "Die Freiheit darf aber nicht so weit gehen, dass man Menschen öffentlich das Gesicht nimmt. Jedenfalls nicht in Europa", so Koch-Mehrin.
Zugleich bekannte sie, dass verschleierte Frauen auf der Straße bei ihr Befremdung auslösen: "Ich gebe offen zu: Wenn mir auf der Straße voll verschleierte Menschen begegnen, bin ich irritiert. Ich kann nicht einschätzen, wer da mit welcher Absicht auf mich zukommt. Ich habe keine Angst, aber ich bin verunsichert."
Belgien hatte am Donnerstag als erstes europäisches Land ein Verbot von Ganzkörperschleiern auf den Weg gebracht.
Für unrealistisch hält dagegen der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) ein Burka-Verbot in Deutschland . "Das ist in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, so lange keine öffentlichen Interessen dagegen stehen", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. "Ich halte ein Gesetz auch nicht für nötig. Das muss der Gesetzgeber nicht regeln." Öffentliche Interessen seien etwa dann berührt, wenn eine Schülerin vollverschleiert in die Schule gehe, eine vollverschleierte Frau als Zeugin vor Gericht auftauche oder Auto fahre. Ansonsten falle das Tragen der Burka unter "freie Entfaltung der Persönlichkeit", erklärte Bosbach, fügte aber hinzu: "Ich selbst sehe das sehr kritisch." Die Burka sei "ein Zeichen der Abgrenzung und des religiösen Fundamentalismus" - und zwar mehr eines der Männer als der betroffenen Frauen.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, lehnt ein Burka-Verbot für Deutschland ab. "Das ist eine völlig sinnlose Debatte", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sie werde die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen noch vergrößern.
"Die Burka ist unter den deutschen Muslimen verpönt. Und es gibt kein muslimisches Gebot, sie zu tragen." In Deutschland gebe es "allenfalls ein Dutzend Trägerinnen". Deutschland brauche eine Kultur der Anerkennung, keine Kultur der Verbote. "Hier werden Ängste instrumentalisiert", sagte Mazyek.
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger hingegen: "Ich halte so ein Verbot auch in Deutschland für denkbar." Und er fügte hinzu: "Wenn Menschen sich verhängen, dann geht das an die Grundlagen unseres Gemeinwesens." Zwar könnten sich Gegner des Burka-Verbots auf das Gebot der freien Entfaltung der Persönlichkeit berufen. "Doch auch dieses Recht ist nicht unbegrenzt. Im Übrigen haben wir Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar sei. Das rechtfertigt es, darüber nachzudenken, ob ein solches Verbot nicht auch bei uns Sinn und Zweck hat."