Nach US-Wahl:Trump überlegt, Teile von "Obamacare" beizubehalten

Lesezeit: 3 min

  • In einem Interview mit dem Wall Street Journal hat Trump angekündigt, "Obamacare" womöglich doch nicht abschaffen zu wollen.
  • Genau das war eines seiner wichtigsten Wahlkampfversprechen gewesen.

Von Matthias Kolb, Washington

Donald Trump legt mit seiner Arbeit als designierter Präsident los und sorgt gleich mit seinem ersten Interview nach dem überraschenden Wahlsieg für Verwirrung. Im Wall Street Journal (WSJ) verkündet er, die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama möglicherweise nur nachbessern zu wollen. Im Wahlkampf hatte der 70-Jährige stets die reine republikanische Lehre verkündet: die Abschaffung von "Obamacare".

Trump begründet seinen überraschenden Positionswechsel mit seinem Gespräch mit Präsident Obama im Weißen Haus. Er habe dem scheidenden Präsidenten versprochen, dass er sich dessen Vorschläge zur Zukunft der Gesundheitsreform genauer anschauen werde, erklärte er den WSJ-Reportern: "Und aus Respekt werde ich dies tun". Bei seinen Veranstaltungen hatte er Obamacare stets als "Desaster" bezeichnet.

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Konkret geht es um zwei Regelungen, die Trump nun womöglich beibehalten will: Das Verbot in Richtung der Krankenkassen, einem Patienten eine Versicherung wegen seines Gesundheitszustands zu verweigern. Und die Möglichkeit, dass Kinder bis zum Alter von 26 Jahren über ihre Eltern versichert bleiben. Was genau der Republikaner vorhat, bleibt jedoch offen. An Aussagen wie diese wird sich die Welt gewöhnen müssen: "Entweder wird Obamacare geändert oder abgeschafft und ersetzt."

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Obamacare war zuletzt in die Kritik geraten, weil ein hoher Anstieg der Beiträge (im Schnitt 22 Prozent) für einen Teil der darüber Versicherten vorhergesagt wird. Die Reform, die Obama 2010 gegen den Widerstand der Republikaner durchgesetzt hatte, sichert etwa 20 Millionen Menschen ab. Mit dieser überraschenden Ankündigung liegt Trump fast auf der Linie seiner bisherigen Rivalin Hillary Clinton, die Nachbesserungen ebenfalls als notwendig bezeichnet hatte.

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Dem WSJ sagt Trump, dass die im Wahlkampf angekündigte Einsetzung eines Sonderermittlers, der Clintons Umgang mit vertraulichen E-Mails überprüfen soll, keine Priorität habe. Er wolle nun einen optimistischeren Ton anschlagen, so der Republikaner: "Ich möchte ein Land, in dem sich alle lieben." Zudem betont Trump, durch Investitionen in Infrastrukturprojekte neue Jobs schaffen und die Grenze zu Mexiko gegen "Drogen und illegale Einwanderer" schützen zu wollen.

Ein weiteres Signal, das Trump von seinem zur Festung ausgebauten Trump Tower in New York aussendet, ist dahingegen sehr klar: Er ersetzt den monatelangen Leiter seines Übergangsteams, Gouverneur Chris Christie, mit dem designierten Vizepräsidenten Mike Pence. Pence wird für die Koordination mit mächtigen Republikanern im Kongress verantwortlich sein, Männern wie Paul Ryan. Christie wird so zu einem von mehreren Stellvertretern abgewertet.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass Christie Justizminister unter Trump werden will. Allerdings wäre dies kaum vermittelbar. Zwei frühere Vertraute Christies wurden verurteilt, weil sie durch willkürliche Brückenschließungen große Verkehrsstaus verursacht haben - und das nur, um einen politischen Gegner Christies zu bestrafen. Der Gouverneur bestreitet Kenntnis von den Ereignissen gehabt zu haben, doch vor Gericht sagten mehrere Zeugen aus, der Republikaner sei informiert gewesen. Wie die Washington Post unter Berufung auf Insider berichtet, hat Christie einen weiteren Machtkampf verloren: Weil er zu sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen sein soll, erhält Alabamas Senator Jeff Sessions mehr Einfluss.

Wie man die Spannung aufrecht erhält, hat Trump nicht verlernt - und auch das Twittern kann er nicht lassen. Er werde "bald einige wichtige Entscheidungen über die Leute treffen, die die Regierung bilden werden", kündigt er an.

Als mögliche Minister sind unter anderem der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich (Außenministerium), New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani (Justiz), und seine Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway im Gespräch. Laut New York Times schwankt Trump bei der Besetzung des wichtigen Postens des Büroleiters zwischen Republikaner-Chef Reince Priebus und seinem Wahlkampfmanager Stephen Bannon, dem Besitzer der Rechtsaußen-Website Breitbart News.

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© SZ.de/mit Material von dpa und AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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