Nach Urteil gegen Timoschenko:EU erhöht Druck auf Ukraine

Das harte Urteil gegen Julia Timoschenko hat erstmals Konsequenzen für den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch - der Staatschef ist in Brüssel nicht mehr willkommen. Nun stellt Kiew auf stur: Im Parlament lehnt Janukowitsch' Partei einen Gesetzentwurf ab, der Timoschenko auf freien Fuß gesetzt hätte.

Martin Winter, Brüssel

Nach der Verurteilung der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und angesichts wachsender Zweifel an den rechtsstaatlichen Verhältnissen in der Ukraine ist deren Präsident Viktor Janukowitsch in Brüssel vorerst nicht mehr willkommen. Kurzfristig luden ihn der Präsident des Europäischen Rates, Hermann Van Rompuy, und der Chef der EU-Kommission, José Manuel Barroso, am Dienstag von Gesprächen wieder aus, zu denen er für Donnerstag nach Brüssel eingeladen worden war.

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In Brüssel vorerst nicht mehr willkommen: der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch.

(Foto: dpa/dpaweb)

Daraufhin drohte die Ukraine der EU mit einer Rückorientierung nach Russland. Wenn die Europäer sie nicht wollten, dann werde die Ukraine sich eben der von Moskau geführten Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan annähern, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Sergej Tigipko einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge.

Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin drängt die Ukraine schon länger, sich der von ihm betriebenen "Eurasischen Union" einzugliedern. Offiziell hieß es in einer Erklärung der Kommission zwar, der Besuch sei "nicht abgesagt", sondern nur "auf unbestimmte Zeit verschoben". Aber damit geraten das Assoziierungsabkommen und der Freihandelsvertrag zwischen der Ukraine und der EU in Gefahr, die nach bisheriger Planung auf dem EU-Ukraine-Gipfel im Dezember unterzeichnet werden sollten.

Ein Termin für diesen Gipfel steht allerdings noch nicht fest. Während die Verhandlungen über diese beiden Verträge "auf der technischen Ebene weiter gehen", wie es in der Kommission am Dienstag hieß, können einige politisch noch strittige Punkte nun erst einmal nicht geklärt werden. Die hatten bei dem Treffen zwischen Barroso, Van Rompuy und Janukowitsch am Donnerstag besprochen werden sollen.

Die Spitzen der Brüsseler Politik haben nach Ansicht von Diplomaten erst eine Woche nach der Verurteilung Timoschenkos mit der Ausladung Janukowitschs reagiert, weil sie gehofft hatten, dass Janukowitsch einen für die EU akzeptablen Ausweg aus der Timoschenko-Affäre finden würde. Den hatte der ukrainische Präsident in der Vergangenheit auch mehrmals angedeutet.

Das Gesetz, auf dessen Basis Timoschenko verurteilt worden war, könne rückwirkend so verändert werden, dass sie freikommt. Doch nachdem Janukowitsch am Montag in Interviews deutlich gemacht hatte, dass er gar nicht daran denke, sich ausländischem Druck zu beugen, blieb Barroso und Van Rompuy nichts anderes übrig, als den Präsidenten auszuladen. Zumal sich am Montag ebenfalls abzeichnete, was dann am Dienstag in Kiew politische Realität wurde: Janukowitsch regierende Partei kündigte an, einen Gesetzentwurf abzulehnen, der Timoschenko auf freien Fuß gesetzt hätte. Daraufhin verließen die Abgeordneten der Timoschenko-Partei unter Protest den Sitzungssaal.

Beziehungsprobleme mit Brüssel

Der doppelte Eklat - Ausladung des Präsidenten und Auszug der Opposition aus dem Parlament - kam einen Tag, nachdem der frühere ukrainische Außenminister und jetzige Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk in Brüssel noch dafür geworben hatte, die Beziehungen der EU zur Ukraine nicht unter der Affäre Timoschenko leiden zu lassen.

Jazenjuk gab sich "zuversichtlich und sicher, dass der Präsident und die Regierung einen Ausweg aus dieser Sackgasse finden werden. Timoschenko wird zweifellos frei kommen". Die Opposition hat die EU schon mehrmals gebeten, die Abkommen mit der Ukraine schnell unter Dach und Fach zu bringen. Nur so könne das Land russischem Einfluss entzogen werden und sich die Verhältnisse langsam ändern.

Doch es sind genau diese Verhältnisse, die es der EU derzeit so schwer machen mit der Ukraine. Die Absage des Besuches wurde von einer Sprecherin der Kommission damit begründet, dass man abwarten wolle, "bis die Bedingungen für einen Fortschritt in den Beziehungen besser sind". Eine Partnerschaft, wie sie mit der Ukraine angestrebt werde, basiere auf "Werten", und gerade da habe man gegenwärtig doch einige Bedenken, was die Lage in der Ukraine angeht.

Brüssel hat vor allem erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in Kiew. Von Rechtsstaat könne man angesichts der politischen Prozesse gegen Timoschenko und andere Oppositionelle kaum sprechen, heißt es in der Kommission. Auch gibt es Einwände gegen die von Janukowitsch geplante Änderung des Wahlrechts. Sie entspreche nicht europäischen Standards. Dennoch, sagte die Sprecherin der Kommission, bleibe das Angebot eines Assoziierungsabkommen an die Ukraine bestehen.

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