Nach Unruhen in Kirgisistan:Opposition verkündet Regierungsübernahme

Nach Angaben der Opposition ist die kirgisische Regierung unter dem Druck der Straße zurückgetreten. Präsident Bakijew soll das Land bereits verlassen haben.

Nach den blutigen Unruhen in der zentralasiatischen Republik Kirgistan hat die Opposition nach eigener Darstellung die Macht in der Hauptstadt Bischkek übernommen. Die Regierung von Ministerpräsident Danijar Ussenow habe nach dem Umsturz mit Dutzenden Toten ihren Rücktritt eingereicht. Das berichteten Medien in Bischkek unter Berufung auf Oppositionsführer Temir Sarijew.

Die russische Nachrichtenagentur RIA zitierte Sarijew mit den Worten, seine Anhänger hätten das Regierungsgebäude im Stadtzentrum besetzt. Präsident Kurmanbek Bakijew sei nicht mehr in der Hauptstadt: "Bakijew hat das Weiße Haus verlassen. Er ist nicht mehr in Bischkek." Ministerpräsident Danijar Usenow habe eine Rücktrittserklärung geschrieben.

Hunderte Demonstranten hatten zuvor das Parlament gestürmt. Sie schossen mit Kalaschnikow-Gewehren auch auf benachbarte Regierungsgebäude. Die Polizei feuerte Lärmgranaten und Tränengas auf die protestierende Menge ab. Es waren Schüsse zu hören.

Ein Vertreter der Flughafenverwaltung sagte, Staatschef Bakijew habe die Hauptstadt Bischkek verlassen. Wütende Demonstranten hatten zuvor das Haus seiner Familie geplündert und in Brand gesteckt. Mehrere Oppositionsführer waren am Nachmittag aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden, um mit der Regierung zu verhandeln.

Die neue Regierung werde von der früheren Außenministerin Rosa Otunbajewa geführt. Die 59-jährige Fraktionschefin der Sozialdemokratischen Partei im Parlament hatte sich nach Angaben einer Sprecherin am Mittwoch vorübergehend in Sicherheit gebracht, um ihrer Festnahme zu entgehen.

Schicksal des Innenministers ungewiss

Otunbajewa galt schon vor fünf Jahren als Anführerin der sogenannten Tulpenrevolution. Damals war Kurmanbek Bakijew an die Macht gekommen. Otunbajewa hatte ihm dann aber wegen autoritärer Tendenzen den Rücken gekehrt.

Bei den Auseinandersetzungen kamen in dem zentralasiatischen Land nach offiziellen Angaben 47 Menschen ums Leben. Landesweit wurden demnach mehr als 400 Menschen verletzt. Die Opposition sprach von rund 100 Toten. Die meisten Opfer starben demnach an Schusswunden.

Über das Schicksal des Innenministers Moldomussa Kongantijew gab es während des Tages widersprüchliche Angaben. Aus Polizeikreisen in Bischkek und von unabhängigen Medien hieß es, Kongantijew sei in der nordwestlich gelegenen Stadt Talas nach Verletzungen gestorben. Ein Sprecher des Innenministeriums in Bischkek erklärte dagegen, Kongantijew sei am Leben und halte sich in Talas auf. Er sei von Oppositionellen als Geisel genommen worden.

Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin erklärte in Smolensk, seine Regierung habe mit den Unruhen nichts zu tun. Die internationale Gemeinschaft zeigte sich besorgt. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Washington sagte, das Weiße Haus beobachte die Situation sehr genau. Die USA haben einen Militärstützpunkt in Kirgistan, der wichtig für die Versorgung ihrer Truppen in Afghanistan ist. Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief "beide Seiten dringend zur Mäßigung auf".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: