Nach Präsidentschaftswahl in Ägypten:Militär gibt Macht ab - ans Militär

Die Muslimbrüder feiern ihren Kandidaten schon als neuen ägyptischen Präsidenten. Doch das offizielle Wahlergebnis steht noch aus. Immerhin will der herrschende Militärrat einem neuen Staatschef in Kürze die Macht übergeben. Nur: Seine Befugnisse werden deutlich beschnitten.

Nach der Präsidentenwahl in Ägypten geht der Machtkampf zwischen den Militärs und den Islamisten in eine neue Runde. Die Muslimbrüder feierten ihren Kandidaten, Mohammed Mursi, am Montag noch vor Auszählung aller Stimmen als Sieger. Der Oberste Militärrat, der nach dem Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak im vergangenen Jahr die Kontrolle übernommen hatte, konterte mit einer Verfassungserklärung, die die Macht des Präsidenten deutlich begrenzt. Zugleich übertrug sie die Vollmachten des in der Vorwoche aufgelösten Parlaments auf die Militärführung. Grundsätzlich soll dem neu gewählten Präsidenten die Macht aber Ende des laufenden Monats übergeben werden.

Press conference by Egypt's ruling military council

Militärratsmitglied Mohammed al-Assar während einer Pressekonferenz in Kairo.

(Foto: dpa)

Nach inoffiziellen Zählungen vom Montag lag Mursi, der Kandidat der konservativ-religiösen Muslimbruderschaft, knapp vor dem ehemaligen Regierungschef Ahmed Schafik. Nach einer Auswertung des Internet-Portals egyptindependent kam Mursi bei der zweitägigen Stichwahl am vergangenen Wochenende auf 51,1 Prozent der Stimmen. Schafik wäre demnach mit 48,9 Prozent unterlegen. Die Wahlkommission wollte allerdings das offizielle Ergebnis frühestens am Mittwoch bekanntgeben. Schafiks Wahlkampfteam erklärte, nur das offizielle Resultat kommentieren zu wollen.

Ein paar tausend Anhänger Mursis zogen auf den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo, um den Sieg ihres Kandidaten zu feiern. Im palästinensischen Gaza jubelten Tausende Parteigänger der radikalislamischen Hamas-Bewegung. Die Hamas war einst aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangen.

Die Militärs legten in ihrer Verfassungserklärung fest, dass der Präsident künftig nur noch nach Abstimmung mit dem Obersten Militärrat den Krieg erklären darf. Außerdem sollen die Generäle über die Belange des Militärs weitgehend autonom entscheiden. Bis zur Wahl eines neuen Parlaments zogen die Militärs die Vollmachten der aufgelösten Volksvertretung an sich. Das bedeutet, dass der Militärrat Gesetze erlassen kann und über den Staatshaushalt bestimmt. Das Gremium der Generäle behält sich zudem vor, selbst ein Komitee zu ernennen, das die neue Verfassung ausarbeitet, falls das noch vom aufgelösten Parlament eingesetzte Verfassungskomitee nicht binnen einer Woche seine Arbeit aufnimmt. Auch können die Militärs gegen einzelne Bestimmungen des Verfassungsentwurfs ihr Veto einlegen.

Die Verfassung soll am Ende zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Erst dann wird ein neues Parlament gewählt. Formell werde die - ihm noch verbliebene - Macht dem neu gewählten Präsidenten wie geplant Ende dieses Monats übergeben, erklärte das Militärratsmitglied Mohammed al-Assar in Kairo. Der Machtwechsel werde im Rahmen einer großen Zeremonie erfolgen. "Ägypten ist ein modernes, demokratisches Land, das sich zu allen demokratischen Werten bekennt", fügte al-Assar hinzu.

Machtprobe mit dem Militär nicht ausgeschlossen

Der Militärrat hatte die Macht im Februar 2011 übernommen, nachdem durch Massenproteste der Rücktritt des Langzeitpräsidenten Mubarak erzwungen worden war. Über die Jahreswende hatten die Ägypter ein neues Parlament gewählt, in dem die Muslimbruderschaft und andere Islamisten über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Das Verfassungsgericht hatte vergangenen Donnerstag das Unterhaus des Parlaments aufgelöst, weil ein Drittel der Abgeordneten ihr Mandat auf verfassungswidrige Weise errungen haben sollen.

Die Muslimbruderschaft protestierte vehement gegen die Machtkonzentration in den Händen der Generäle. "Der Militärrat hätte den freien Willen der Menschen respektieren müssen, der dieses Parlament hervorgebracht hat", erklärte Saad al-Katatni, der Präsident des aufgelösten Unterhauses.

Hussein Ibrahim, der Fraktionschef der Muslimbrüder im Unterhaus, kündigte an, dass die Kammer an diesem Dienstag zusammentreten werde - wie gewohnt. "Wir werden die einzige gewählte Institution in diesem Land nicht einem Militärputsch ausliefern", erklärte Ibrahim. Beobachter schließen an diesem Dienstag eine Machtprobe mit dem Militär nicht aus. Der Militärrat hatte Ende vergangener Woche, unmittelbar nach dem Spruch der Verfassungsrichter, die Schließung des Parlamentsgebäudes verfügt.

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