Nach Präsidentenwahl:90 Tote bei Selbstmordanschlag in Afghanistan

Es war der schwerste Anschlag seit Jahresbeginn, mitten im Fastenmonat Ramadan: Ein Selbstmordattentäter hat im Südosten Afghanistans 90 Menschen mit in den Tod gerissen. Selbst die Taliban verurteilen die Tat.

  • Vor dem Abzug der internationalen Truppen häufen sich die Anschläge in Afghanistan: Beim bisher schwersten in diesem Jahr sterben 90 Menschen im Südosten des Landes.
  • In Kabul töten die Taliban zwei Regierungsmitarbeiter.
  • Eine politische Krise nach der Präsidentenwahl erschwert die Lage in Afghanistan zusätzlich.

Selbstmordattentäter tötet 90 Menschen in afghanischer Provinz

Ein Selbstmordattentäter hat sich auf einem belebten Markt in Südost-Afghanistan in die Luft gesprengt und etwa 90 Menschen mit in den Tod gerissen. Bei den meisten Opfern habe es sich um Zivilisten gehandelt, sagte der Gouverneur des Distrikts Orgun. Etwa 40 Menschen seien verletzt worden.

Der Attentäter habe am Dienstag in der Distrikthauptstadt Orgun den in seinem Wagen versteckten Sprengstoff gezündet, als Polizisten ihn an einem Checkpoint am Basar stoppten. Die Verletzten seien ins staatliche Krankenhaus gebracht worden, das überfüllt sei. Unter den Toten seien auch zwei Polizisten. Die Explosion habe die ganze Umgebung erschüttert. "Die Gegend ist voller Blut", sagte der Gouverneur. Teile des Basars seien zerstört worden.

Der bislang schwerste Anschlag in Afghanistan seit Jahresbeginn fand mitten in dem für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan statt. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat in der Provinz Paktika. Die Taliban dementierten jede Beteiligung. "Wir verurteilen die Tat", hieß es in einer Mitteilung der militanten Islamisten.

Taliban töten Menschen bei Anschlag in Kabul

Bei einem weiteren Bombenanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul wurden zwei Mitarbeiter der Pressestelle des Präsidentenpalastes getötet. Fünf weitere Regierungsmitarbeiter seien verletzt worden, als ihr Fahrzeug in eine Sprengfalle geriet, teilte die Polizei mit. Aus dem Palast hieß es, bei den Toten habe es sich um einen Techniker und einen Kameramann gehandelt. Die Taliban bekannten sich zu der Tat und teilten mit, Ziel seien Mitarbeiter der Pressestelle gewesen.

Politische Krise in Afghanistan

Vor dem endgültigen Abzug der internationalen Kampftruppen, die bis zum Ende des Jahres erfolgen soll, ist die Zahl der getöteten Zivilisten am Hindukusch nach UN-Angaben deutlich gestiegen. Von Januar bis Juni wurden insgesamt 4853 zivile Opfer gezählt. Das waren 24 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Zusätzlich zu den Anschlägen der Taliban und anderer Rebellengruppen ist Afghanistan derzeit in einer tiefen politischen Krise. Nach der zweiten Runde der Präsidentenwahl erklärten sich beide Kandidaten zum Wahlsieger, der frühere Außenminister Abdullah Abdullah und der einstige Finanzminister Aschraf Ghani. Laut den vorläufigen Ergebnissen gewann zwar Ghani die Stichwahl mit deutlichem Vorsprung, doch warf Abdullah ihm Wahlfälschung vor.

Auf Vermittlung von US-Außenminister John Kerry einigten sich beide Seiten am Wochenende auf eine vollständige Neuauszählung der Stimmzettel. Zudem sagten sie zu, das Ergebnis der neuen Zählung zu akzeptieren. Ob Afghanistan damit aber zu politischer Stabilität zurückfindet, muss sich noch zeigen. Auf den Wahlsieger warten mit dem Abzug der internationalen Kampftruppen große Herausforderungen. Viele befürchten dann eine Verschärfung des Konflikts.

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