Nach Parteitag:SPD-Forderung belastet Koalitionsgespräche

Koalitionsverhandlungen

"Wir können nicht von ihr verlangen, dass sie alles unterschreibt, was die SPD will": Parteichef Gabriel versucht, die Wogen vor den weiteren Gesprächen mit Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel zu glätten.

(Foto: dpa)

Die SPD erhöht mit einer neuen Forderung den Druck auf die Union. Dort wächst der Unmut, auch weil sich der mögliche Koalitionspartner der Linkspartei öffnen will. Die Grünen halten sich bereit - für den Fall, dass die Gespräche scheitern.

Als der SPD-Parteitag schon fast vorbei war und kaum ein Delegierter noch mit etwas Spannendem gerechnet hatte, überraschte Sigmar Gabriel die Genossen im Saal. "Ich werde der SPD keinen Koalitionsvertrag vorlegen, in dem die doppelte Staatsangehörigkeit nicht drin ist!" En passant markiert der Parteichef damit eine weitere rote Linie für die ohnehin stockenden Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU.

Das missfällt natürlich Unionspolitikern. "Der Parteitag hat sicher, wie an einigen Aussagen von SPD-Spitzenleuten zu erkennen ist, die Ausgangslage für die Schlussrunden nicht einfacher gemacht", sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder der Bild am Sonntag.

Verstärkt wird der Unmut in der Union durch die Öffnung der SPD zur Linkspartei. Die Delegierten hatten mit großer Mehrheit einem Leitantrag zugestimmt, mit dem auch ein Bündnis mit der Linkspartei künftig nicht mehr ausgeschlossen wird. Günter Krings, Kauders Stellvertreter als Fraktionschef, kündigte im Spiegel deshalb eine härtere Gangart bei den Koalitionsverhandlungen an: "Gabriels Schwenk zur Linkspartei erhöht unseren Preis bei den Koalitionsverhandlungen zu Lasten der SPD."

Auch CDU-Vizechef Armin Laschet äußert Kritik. Er verstehe nicht, warum die SPD eine Öffnung zur Linkspartei ausgerechnet jetzt beschließen müsse. "Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme", sagte er dem Tagesspiegel. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach von einem bemerkenswerten Vorgang. "Die SPD muss wissen: Wer mit dem Feuer spielt, läuft Gefahr, sich zu verbrennen", sagte Hasselfeldt der Welt am Sonntag.

Trotz der neuen Bedingungen rechnet Fraktionschef Kauder mit einem pünktlichen Abschluss der Verhandlungen: "Bis Ende November sollte der Koalitionsvertrag fertig sein." Entgegenkommen signalisierte Kauder den Sozialdemokraten beim Thema Frauenquote. Bei den Verhandlungen an diesem Sonntag stehen voraussichtlich dieses Thema sowie die Altenpflege im Mittelpunkt. Die großen Streitpunkte würden in den letzten zwei Verhandlungstagen entschieden, so Kauder.

Kraft hält Scheitern der Verhandlungen für mögliche

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist da weniger optimistisch. In der Leipziger Volkszeitung spricht sie offen über ein mögliches Scheitern der Gespräche mit der Union: "Man kann in Verhandlungen immer scheitern. Das ist das Wesen von Verhandlungen." Der SPD müsse es gelingen, "die entscheidenden Themen, die den notwendigen Politikwechsel darstellen, auch dingfest zu machen". Es sei wichtig, dass die SPD-Basis die Grundlagen für eine große Koalition mittragen könne.

Parteichef Gabriel gibt sich nach dem Parteitag etwas demütiger. Kanzlerin Angela Merkel habe die Wahl gewonnen, "und wir können nicht von ihr verlangen, dass sie alles unterschreibt, was die SPD will", so Gabriel in der ARD.

Für den Fall, dass eine große Koalition nicht zustande kommt, boten die Grünen CDU und CSU ihre Gesprächsbereitschaft an: "Wir werden nicht unsere Türen verbarrikadieren", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Bild am Sonntag. Allerdings bleibe sie "sehr skeptisch". Ihre Zurückhaltung begründete Göring-Eckardt mit Differenzen in der Energiepolitik. "Auch in der Flüchtlingspolitik muss es echte Veränderungen geben und die doppelte Staatsbürgerschaft sowie die Ehe für alle müssen selbstverständlich sein."

Die Forderungen der Grünen dürften damit für CDU und CSU schwerer zu akzeptieren sein, als die der SPD. Unionsfraktionschef Kauder verbreitet deshalb Zuversicht: ​Für die Union zähle nicht die Stimmung eines Parteitags, sondern dass am Ende der Koalitionsgespräche gute Ergebnisse für die Bürger stünden. "Zwei unserer Hauptforderungen im Wahlkampf waren: keine Steuererhöhungen und keine neuen Schulden. Das stellen die Sozialdemokraten nicht mehr infrage."

Und Gabriel sagt: "Ich will den Erfolg der großen Koalition, wenn ein gutes Programm dahinter steckt. Und daran arbeite ich jetzt. Und an nichts anderem."

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