Süddeutsche Zeitung

Nach NSA-Affäre:Steinbrück wirft Merkel Bruch ihres Amtseids vor

"Schaden vom Volke abzuwenden - das stelle ich mir anders vor": SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück beschuldigt Merkel, das Ausspähen von Millionen Deutschen durch die NSA nicht verhindert zu haben. Er fordert eine Untersuchung der Affäre durch das Parlament.

In der Affäre um die Überwachung der Internet- und Telefonkommunikation durch den US-Geheimdienst hat Peer Steinbrück Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Pflichtverletzung vorgeworfen. Der SPD-Kanzlerkandidat sagte der Bild am Sonntag: "Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Jetzt kommt heraus, dass Grundrechte der deutschen Bürger massiv verletzt wurden. Also: Schaden vom Volke abzuwenden - das stelle ich mir anders vor. Jeden Monat wurden 500 Millionen persönliche Verbindungsdaten von uns abgesaugt." Damit könne man Bewegungsprofile erstellen und private Beziehungen, Verhaltensmuster, Konsumneigungen und soziale Netzwerke erkennen.

Seine Schuldzuweisung begründete Steinbrück damit, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) habe wissen können, dass Grundrechte in Deutschland verletzt wurden. Und der werde schließlich vom Kanzleramt koordiniert. "Wer hinter dem Steuer sitzt, trägt die Verantwortung - und zwar egal, ob er wach oder eingepennt ist", so Steinbrück.

Beratung von Vorbild Gerhard Schröder

Im Hinblick auf die anstehende Wahl gibt er sich optimistisch: Er werde "den gleichen Einsatz zeigen, den Schröder seinerzeit in den letzten Wochen vor der Wahl gebracht hat", so Steinbrück. Im Jahr 2002 sei dieser in Umfragen und Medien auch schon abgeschrieben gewesen, aber dann sei alles anders gekommen. Zudem lasse er sich von dem Altkanzler beraten.

Der SPD-Politiker forderte außerdem eine Untersuchung der NSA-Affäre durch den Bundestag. Edward Snowden, IT-Spezialist und früherer Mitarbeiter des Geheimdienstes NSA, hatte Anfang Juni massive Ausspäh- und Abhörprogramme der USA öffentlich gemacht. Steinbrück fordert, dass nun vom Parlament geprüft werde, ob es Pflichtversäumnisse oder gar Grundgesetzverletzungen aus dem Kanzleramt gegeben hat. "Unter Frau Merkel und ihrem Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla ist ein riesiger Schaden fürs deutsche Volk entstanden."

"Diese könnte ihr schlimmster Alptraum werden"

Snowden soll über noch weitere, bislang unbekannte Informationen verfügen: Glenn Greenwald vom britischen Guardian sagte der argentinischen Zeitung La Nacion, Snowden könne der Regierung in Washington "in einer einzigen Minute" mehr Schaden zufügen als jede Person zuvor. "Die US-Regierung sollte sich jeden Tag hinknien und darum bitten, dass Snowden nichts passiert, denn wenn ihm irgendwas zustoßen sollte, würden alle Informationen enthüllt", so Greenwald, "und diese könnten ihr schlimmster Alptraum werden."

Zurzeit befindet sich Snowden noch immer in Flughafen Moskau. Er hat Russland um vorübergehendes Asyl gebeten. An der Ausreise in eines der zahlreichen lateinamerikanischen Länder, die Einladungen an den Whistleblower ausgesprochen hatten, wird er gehindert.

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