Nach mutmaßlichem Datenklau im Gesundheitsministerium:Bahr spricht von "ganz großer Sauerei"

Die Spionage-Vorwürfe gegen einen Vertreter der Apotheker-Lobby versetzen Berlin in Aufregung: Nun hat sich Gesundheitsminister Bahr erstmals ausführlich zu Wort gemeldet. Wenn sich die Vorwürfe bestätigten, sei es "keine Lappalie", sondern "ein Unding". Die Gesetzgebung des Ministeriums sei aber nicht beeinflusst worden.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat mit scharfen Worten auf den mutmaßlichen Datenklau in seiner Behörde reagiert. Zugleich schilderte er, wie es zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gekommen sei. "Es ist der Verdacht auf Bestechung und Diebstahl. Insofern ist es keine Lappalie", sagte Bahr. "Das ist ein Unding. Wenn sich das bestätigt, ist es auch eine ganz große Sauerei."

Besonders gewundert habe er sich, dass bei der Gesetzgebung im Arzneimittelbereich Texte in der Öffentlichkeit bekannt gewesen seien, bevor er selbst sie gesehen habe. Nach rund zwei Jahren habe er Anfang September einen konkreten Hinweis erhalten und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Am 11. September sei Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt worden, am 20. November habe es im Ministerium eine Durchsuchung bei einem externen Beschäftigten eines IT-Dienstleisters und einem zweiten Verdächtigen gegeben.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen einen freiberuflichen Lobbyisten der Apothekerschaft, der sich per Diebstahl sensible Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium beschafft haben soll. Dabei soll er mit einem externen IT-Dienstleister zusammengearbeitet haben, der Zugang zu E-Mails, Beschlüssen, Gesetzentwürfen und anderen Daten gehabt haben soll.

Mails von ihm oder seinem Vorgänger Philipp Rösler (FDP) seien seines Wissens nach nicht ausgespäht worden, sagte Bahr. Seine Entscheidungen seien unbeeinflusst geblieben. "Ich sehe keinen Schaden für die Gesetzesarbeit des Bundesgesundheitsministeriums."

Apotheker-Verband weist Vorwürfe zurück

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hatte zuvor Spionagevorwürfe zurückgewiesen. "Es war nie und es wird nie Politik unseres Hauses sein, die Interessen der deutschen Apothekerschaft per Scheckbuch zu vertreten", teilte der Verband mit. Die ABDA werde alles tun, um den Sachverhalt aufzuklären und biete den Ermittlungsbehörden jede erdenkliche Unterstützung an.

"Wir lehnen eine auf solche Weise erfolgte Informationsbeschaffung strikt ab und distanzieren uns davon ausdrücklich", erklärt der ABDA. "Wir sehen mit Sorge, dass ein ganzer Berufsstand unter Generalverdacht gerät." Deshalb verfolge die ABDA die Berichterstattung über den Fall "mit großer Bestürzung".

"Uns ist nicht bekannt, gegen wen sich die Ermittlungen richten", heißt es weiter. "Wir gehen deshalb davon aus, dass sich der bestehende Verdacht nur gegen Einzelne richten kann."

Der Gesundheitsexperte der Union, Jens Spahn (CDU), forderte Aufklärung von den Apotheken-Verbänden. "Wir sind ja durchaus aggressives Lobbying im Gesundheitswesen gewöhnt und können damit gut umgehen. Aber bezahlte Spionage wäre eine neue Qualität, das macht einfach nur fassungslos. Und wütend", sagte er.

Der FDP-Gesundheitspolitiker Erwin Lotter sagte, der Apothekerverband stehe in der Bringschuld. Wer lautstark seine Stimme erhebe, wenn es um die Durchsetzung höherer Honorare gehe, dürfe nicht abtauchen, wenn es um schwerwiegende Straftaten gehe und die politische Kultur dramatischen Schaden nehme.

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