Süddeutsche Zeitung

Nach Merkels Pegida-Kritik:Viel Lob und ein Rüffel

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Die Opposition begrüßt die scharfe Kritik der Kanzlerin an der Pegida-Bewegung. Nur die AfD hält dagegen. Eine Umfrage zeigt, wie viele Deutsche den Protest der Islam-Gegner für gerechtfertigt halten.

Die Opposition im Bundestag hat die scharfe Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Anti-Islam-Bewegung Pegida einhellig begrüßt. Widerspruch zu Merkels Neujahrsansprache kam lediglich von der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD), die sich schützend vor die Pegida-Demonstranten stellte. Parteichef Bernd Lucke sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, eine Neujahrsansprache solle versöhnen und nicht spalten: "Frau Merkel stempelt die Menschen als fremdenfeindlich ab, ohne ihnen Gehör schenken zu wollen."

Merkel warnte die Deutschen in ihrer Neujahrsansprache davor, den Slogans der offensichtlich von Vorurteilen und Hass getriebenen Organisatoren der Anti-Islam-Proteste auf den Leim zu gehen. Sie sagte: "Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion." Den Namen Pegida nannte Merkel nicht. Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck verteidigte die Kanzlerin gegen die AfD-Kritik. Unter den Pegida-Demonstranten seien Holocaust-Verharmloser, obskure Persönlichkeiten und Kader rechtsextremer Gruppen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Merkel hat recht: Ein paar Pegida-Anhängern darf Deutschland seine Weltoffenheit und Liberalität nicht opfern!" Grüne und Linke forderten die Kanzlerin auf, ihren Worten nun Taten folgen zu lassen. "Frau Merkel sollte nicht nur in ihrer Neujahrsansprache mal klare Kante zeigen, sondern auch im Parlament und in ihrer täglichen Politik. Regieren statt präsidieren, mehr Klarheit statt Nebel - das wäre für Frau Merkel doch ein guter Vorsatz für 2015", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. Es sei richtig, dass die Kanzlerin und CDU-Chefin vor der Anti-Islam-Bewegung Pegida gewarnt und zu mehr Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen aufgerufen habe. Dazu passe aber nicht die Ankündigung der Schwesterpartei CSU, Abschiebungen zu beschleunigen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, nannte Merkels Abgrenzung von Pegida "begrüßenswert". Diesen Kurs hätten aber nicht alle Unionspolitiker verinnerlicht. "Während Angela Merkel die Selbstverständlichkeit betont, dass Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht finden, bedient die Union in Bayern und Sachsen mit einer Verschärfung der Asyl- und Abschiebepraxis genau jenen Hass, der auf den Pegida-Demonstrationen gegen Flüchtlinge geschürt wird." Lob für ihre Äußerungen zu Pegida erhielt Merkel auch von der Internationalen Islamischen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Erziehung (Isesco) mit Sitz in Rabat. Der saudische Isesco-Generaldirektor, Abdelasis Al-Tuwairi, rief alle europäischen Regierungen auf, die Verunglimpfung von Religionen zu verhindern, um für mehr Toleranz und ein friedliches Zusammenleben zu sorgen.

Einer Umfrage zufolge halten 67 Prozent die Gefahr der Islamisierung Deutschlands für übertrieben. 29 Prozent meinen, der Islam habe auf das Leben in diesem Land einen so großen Einfluss, dass Protestmärsche wie die Pegida-Montagsdemos in Dresden gerechtfertigt seien. Dieser Auffassung sind nach einer am Donnerstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Magazin Stern mit 71 Prozent vor allem die Sympathisanten der rechtspopulistischen AfD.

Forsa-Chef Manfred Güllner: "Dieser Befund bestätigt einmal mehr, dass die Anhänger der AfD keinesfalls die Mitte der Gesellschaft repräsentieren, sondern eine Randgruppe mit klarer fremdenfeindlicher Tendenz sind." 13 Prozent aller Befragten würden sich gegebenenfalls an Protestmärschen gegen eine Islamisierung Deutschlands beteiligen, wenn sie in der Nähe ihres Wohnorts stattfänden. Die größte Bereitschaft, an solchen Demonstrationen teilzunehmen, findet sich unter den Anhängern der AfD (45 Prozent) und der Linken (26 Prozent). Von den Nichtwählern würden nur 13 Prozent mitmarschieren - was dem Durchschnitt aller Bundesbürger entspricht. Nur zehn Prozent aller Deutschen würden bei einer der kommenden Wahlen für eine Partei stimmen, die den Islam in diesem Land bekämpft - in Ostdeutschland (15 Prozent) mehr als in Westdeutschland (9 Prozent).

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SZ vom 02.01.2015 / SZ
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