Nach Kritik an der SPD:Diplomatie statt Revanche

Die SPD-Reaktion auf die Angriffe der Linken fällt milde aus. Man will niemanden verprellen.

Von Christoph Hickmann

Eigentlich wäre der Sonntag für die SPD der Tag gewesen, um ordentlich zurückzuschlagen. Derart viel Kritik, Attacken und auch Häme hatten die Genossen mehrere Tage lang vom Linken-Bundesparteitag zu hören bekommen, dass es nun an der Zeit gewesen wäre, sich mal nach allen Regeln des Handwerks zu revanchieren. Doch die Reaktionen fielen erstaunlich milde aus.

Parteivize Ralf Stegner etwa warnte vor "Ausschließeritis" und appellierte, die Linke müsse entscheiden, "ob sie regieren will oder nicht". Das klang für Stegners Verhältnisse, zumal angesichts der vorangegangenen Tiraden von links, geradezu diplomatisch - was insoweit noch verständlich ist, als Stegner zum linken Flügel seiner Partei zählt und schon deshalb eher offen für die Option eines rot-rot-grünen Bündnisses ist. Doch auch Generalsekretär Hubertus Heil, innerhalb des sozialdemokratischen Spektrums deutlich weiter rechts einzuordnen, gab sich moderat: Die Linke habe auf ihrem Parteitag gezeigt, dass sie vor allem mit sich selbst beschäftigt sei. Woher also die Zurückhaltung?

Schulz will aus Steinmeiers Fehlern lernen

Die hat vor allem zwei Gründe - einen innerparteilichen und einen wahltaktischen. Innerparteilich ist es so, dass die sozialdemokratischen Anhänger von Rot-Rot-Grün zwischenzeitlich mal so etwas wie Aufwind hatten. Nachdem sie jahrelang eher im stillen Kämmerlein an besseren Kontakten zu Grünen und vor allem Linken gearbeitet hatten, begannen sie im vergangenen Jahr plötzlich, öffentlichkeitswirksam größere Zusammenkünfte mit Vertretern aller drei Parteien abzuhalten. Zu diesen Treffen kamen nun sogar Leute, die man bislang eher zu den Rot-Rot-Grün-Skeptikern gezählt hatte. Es kam so etwas wie Euphorie auf, zunächst jedenfalls.

Spätestens seit der Saarland-Wahl allerdings gilt es an der SPD-Spitze als ausgemacht, dass man keinesfalls zu laut über Rot-Rot-Grün reden darf, wenn man nicht die Wähler der Mitte verschrecken und der Union weitere Munition liefern will. Schlösse Kanzlerkandidat Martin Schulz ein solches Bündnis nun aber formal aus, würde er damit die Rot-Rot-Grün-Befürworter verprellen, die sich vor allem auf dem linken Flügel finden - und bei den Jusos. Vor allem auf deren Unterstützung ist er im Wahlkampf dringend angewiesen.

Und damit zum wahltaktischen Motiv für die Zurückhaltung der Sozialdemokraten: Schulz fürchtet, im Fall eines klaren Neins zu Rot-Rot-Grün in jene Situation zu geraten, die Frank-Walter Steinmeier 2009 durchleiden musste. Der heutige Bundespräsident hatte sich damals als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat in eine letztlich fatale Abhängigkeit von der FDP begeben, indem er auf die immer wiederkehrende Frage nach seiner sogenannten Machtoption stets auf die Ampel verwies, also ein Bündnis mit Grünen und Liberalen. Doch kurz vor der Wahl knallte die FDP auch diese Tür zu und schloss eine Ampel aus. Steinmeier, von dem schon vorher kaum noch jemand geglaubt hatte, dass er Kanzler würde, stand nun endgültig als aussichtsloser Herausforderer da.

Trotzdem gibt es weiterhin Sozialdemokraten, die intern dafür plädieren, ein Bündnis mit der Linken auch formal auszuschließen. Schließlich, so argumentiert mancher Genosse, sei Rot-Rot-Grün derzeit schon rein rechnerisch weit davon entfernt, Realität zu werden. Man vergebe sich also nichts, wenn man hier ein klares Zeichen setze.

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