Nach Krisentreffen in der Edathy-Affäre:Seehofer droht mit Untersuchungsausschuss

Seit der Edathy-Affäre sei das Vertrauensverhältnis zu den Sozialdemokraten passé, derzeit werde nur noch "ein Arbeitsverhältnis praktiziert", sagt Seehofer. Die Union ist auch nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt noch über die SPD verärgert.

Von Robert Roßmann, Berlin

Gut zwei Stunden haben die Parteichefs am Dienstagabend miteinander gesprochen. Gemeinsam gegessen wurde auch, Liebe soll ja manchmal durch den Magen gehen. Ein ernstes Gespräch sei es gewesen, heißt es anschließend. Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel hätten mit großer Klarheit über die Folgen der Edathy-Affäre gesprochen. Beschlüsse habe es aber keine gegeben.

Wer sich am Tag danach von der Kanzlerin Genaueres erwartete, wurde wieder mal enttäuscht. Merkel ist keine Frau, die zu Geschwätzigkeit neigt. Auch darin unterscheidet sie sich von einigen Sozialdemokraten. Und so ließ die Kanzlerin am Mittwoch lediglich ein paar Phrasen mitteilen. "Sie können gewiss sein, dass das Verantwortungsbewusstsein im Mittelpunkt dieses Gespräches stand", sagte die Vize-Regierungssprecherin. "Es gibt das konkrete Ergebnis, dass sich alle drei Parteivorsitzenden noch einmal in diesem Verantwortungsbewusstsein bestärkt haben, und dass in diesem Geiste die Regierung natürlich weitergeführt wird." So weit, so Merkel.

Zum Glück gibt es in solchen Fällen immer noch Seehofer. Der CSU-Chef neigt zu vielem, aber nicht zum Schwurbeln. Die beiden zentralen Punkte für die Regierung seien jetzt "Vertrauen und Aufklärung", sagte Seehofer am Mittwoch. Zum einen müsse "wieder Vertrauen in der Koalition hergestellt werden". Zum anderen müsse es jetzt "eine lückenlose Aufklärung geben". Dies sei nicht nur aus parteipolitischer Sicht, sondern auch "aus übergeordneten Gründen wichtig".

Die Bürger sind bei solchen Fragen besonders sensibel. Das hat schon die Verwandten-Affäre im bayerischen Landtag gezeigt. "Jeder Anschein von Mauschelei muss vermieden werden", sagte Seehofer. Das gelte gerade bei "einer großen Koalition mit so breiter Mehrheit". Die Aufklärung müsse deshalb wirklich "vollständig sein - notfalls auch bis hin zu möglichen personellen Konsequenzen". Zunächst seien jetzt die Justiz und der Innenausschuss des Bundestags gefragt. Wenn diese bei der Aufklärung nicht zu Ergebnissen kämen, müsse "ein Untersuchungsausschuss einberufen werden".

Bei der Union steht vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Kritik. Dass dieser sich am Dienstag trotz dieser Lage selbst als "Stabilitätsanker" der Koalition bezeichnet hatte, verstärkte den Unmut der Union noch einmal. CDU und CSU werfen Oppermann nicht nur die Art vor, mit der er öffentlich gemacht hat, dass der damalige CSU-Minister Hans-Peter Friedrich Gabriel über Vorwürfe gegen Edathy informiert hat. Die Union hält auch Oppermanns Anruf bei BKA-Chef Jörg Ziercke in dieser Sache für ein Unding. Außerdem wirft sie Oppermann vor, ohne Not die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, informiert zu haben. Durch das Einbeziehen Zierckes und Lambrechts sei die Informationskette über den Kontakt Gabriel-Friedrich deutlich verlängert worden.

Er habe "sehr früh für diese große Koalition geworben" und sei "sehr stolz" darauf gewesen, wie die Spitze der Koalition bisher zusammen gearbeitet habe, sagte Seehofer. Deshalb gebe es jetzt bei ihm "eine gewisse Erschütterung". Das Vertrauensverhältnis zu den Sozialdemokraten sei erst einmal passé, derzeit werde nur noch "ein Arbeitsverhältnis praktiziert". Dieses verlorene Vertrauen müsse jetzt dringend wiederhergestellt werden.

Nun ist Vertrauen immer eine subjektive Sache, die Erfahrung machen auch Eheleute. Außerdem kann man es nicht durch Beschlüsse schaffen, sondern nur durch Handeln. Die Union erwartet deshalb in den kommenden Wochen ein koalitionsfreundlicheres Verhalten der SPD. Vor der Edathy-Affäre hatten ja schon SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und SPD-Vize Ralf Stegner den Unmut von CDU und CSU erweckt. Fahimi hatte die Forderung Seehofers nach einer Korrektur der Stromtrassenplanung mit der Bemerkung abgefertigt, Seehofers "Raserei" habe ein bisher unbekanntes Maß erreicht.

Stegner hatte erklärt, die SPD werde 2017 mit dem Ziel antreten: "Angela Merkel muss weg". Um dies zu erreichen, seien auch regelmäßige Gesprächskontakte auf Spitzenebene mit der Linkspartei nötig. Auch der Kieler SPD-Innenminister Andreas Breitner hat mit seiner frühen Rücktrittsforderung an Friedrich die Laune der Union nicht verbessert. Mutmaßungen, die Union verlange von der SPD jetzt auch eine Kompensation bei den Inhalten, wies Seehofer aber zurück. "Es darf unter keinen Umständen einen Kuhhandel geben", sagte er. Das sei "die Auffassung aller drei Parteivorsitzenden".

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