Süddeutsche Zeitung

Nach Kosovo-Zwischenfall:Kanzleramt attackiert BND-Chef

Nach der Panne um inhaftierte deutsche Spione im Kosovo werfen Spitzenbeamte Ernst Uhrlau vor, den Geheimdienst nicht im Griff zu haben.

Hans Leyendecker

Die Aufarbeitung der Affäre um die Inhaftierung von drei BND-Agenten im Kosovo, die erst nach neun Tagen Haft freigekommen waren, wird zu einem Schwarze-Peter-Spiel.

Zunächst hatten hochrangige Nachrichtendienstler, die ungenannt bleiben wollten, dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt vorgeworfen, sich zu spät und zu unentschlossen für die Freilassung der Männer eingesetzt zu haben. Jetzt üben hohe Beamte des Kanzleramtes, die ebenfalls nicht genannt werden wollen, heftige Kritik an der Informationspolitik der BND-Spitze. So habe die Regierungszentrale erst aus den Medien von der Verhaftung der drei Männer in Pristina erfahren. Unter Druck gerät dabei BND-Präsident Ernst Uhrlau. Ihm wird vorgeworfen, den Dienst nicht im Griff zu haben.

Ein Teil der Kritik zielt auch auf Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), dessen Diplomaten - mit Ausnahme des Botschafters in Pristina - "sich zurückgelehnt" hätten, wie ein Kanzleramtsmitarbeiter behauptet. Auffällig ist, dass in Medien kolportiert wird, die drei Männer seien nach einer Intervention von Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) freigekommen. Da alle Beteiligten Wert auf Anonymität legen, ist derzeit unklar, ob nur alte oder auch geheime neue Rechnungen beglichen werden sollen oder ob es für Uhrlau, wie es in Berlin kolportiert wird, diesmal sehr eng werden könnte. Zu eng?

Es geht um Heimlichkeiten und Ungeschicktheiten. Am Abend des 14. November 2008 war im Lagezentrum des BND in Berlin eine verschlüsselte E-Mail eingegangen, derzufolge ein Agent des Dienstes im Kosovo von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt worden war.

Der Agent war nach einem Sprengstoffanschlag auf das Gebäude der internationalen Verwaltungsbehörde (ICO) mit zwei Kollegen Richtung Tatort gefahren und hatte dort heimlich Fotos gemacht. Kurz darauf wurde er von einem Polizeibeamten angehalten und musste mit auf die Wache. In Medien wurde am Wochenende Uhrlau der Vorwurf gemacht, der Dienst habe auf die E-Mail nicht reagiert und die drei Nachrichtendienstler nicht zurückbeordert.

Zu diesem Vorwurf erklärt ein Nachrichtendienstler, der Agent sei bereits am nächsten Tag zur Wache gegangen und habe sofort seinen Ausweis zurückbekommen: "Niemand konnte zu dem Zeitpunkt ahnen, dass die drei später festgenommen werden sollten".

Dass Uhrlau von dem Zwischenfall bis zum 19. November nichts erfahren habe, sei "normal. Der Präsident kann nicht jedes Detail jeder Operation kennen." Am Abend des 19. November wurden die drei Männer festgenommen. Uhrlau wurde darüber informiert und unterrichtete am nächsten Morgen das Kanzleramt. Der BND ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass der Fall still gelöst werden könnte. Am 22. erklärte dann abends ein Haftrichter, die drei kämen wegen Verdachts der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag 30 Tage in Untersuchungshaft.

Das offizielle Berlin spielte den Fall klein. Am 25. November sprach de Maizière mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten Hashim Thaci am Telefon über das Problem. Erst drei Tage später kamen die Männer, die den kosovarischen Medien als Kriminelle vorgeführt worden waren, frei.

An diesem Wochenende erklärte die stellvertretende Außenministerin des Kosovo, Vlora Citaku: "Die BND-Affäre tut uns leid". Man könne sich aber nicht für eine Sache entschuldigen, "mit der wir nichts zu tun hatten". Die Inhaftierung sei "nicht Schuld unserer Regierung gewesen". Beim BND geht man von politischen Gründen für die Inhaftierung aus.

Die Informationspolitik des BND wird im Kanzleramt als "zumindest lückenhaft" bezeichnet. Ein Beamter weist darauf hin, dass Uhrlau selbst in einer Affäre um in Afghanistan im Herbst 2006 abgeschöpfte E-Mails von seinen Beamten unzureichend informiert worden war. Der Dienst hatte auf dem Computer eines afghanischen Ministers Spionage-Software installiert, auch E-Mails einer Spiegel-Journalistin waren abgeschöpft worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ damals erklären, das Verhältnis zu Uhrlau sei nicht zerstört, aber gestört, de Maizière erklärte, jeder dürfe mal einen Fehler machen und fügte hinzu: "So etwas darf sich nicht wiederholen."

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SZ vom 08.12.2008/beu
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