Nach Inkrafttreten des Öl-Embargos:Iranische Hütchenspieler-Tricks

Der Iran hat mehrere Öltanker umbenannt - mit mäßigem Erfolg. Die Regierung in Teheran versucht, die verschärften Sanktionen von EU und USA zu unterlaufen. Und so eskaliert die Krise im Golf in Zeitlupe vor sich hin.

Paul-Anton Krüger

An der Bordwand der Hoda prangt frisch hingepinselt der Name Precious, am Heck des Schiffs flattert die Flagge des winzigen Pazifikstaats Tuvalu, nicht mehr das Banner des EU-Mitglieds Zyperns. Der Supertanker mit 317 000 Tonnen Tragfähigkeit gehört der National Iranian Tanker Company (NITC), einem Unternehmen, das vor zwölf Jahren privatisiert wurde, aber de facto noch immer vom Regime in Teheran kontrolliert wird. Der Hütchenspieler-Trick, aufgedeckt vom Fachblatt Lloyd's List, ist der wenig Erfolg versprechender Versuch, die verschärften Sanktionen der EU und der USA im Atomstreit mit der Islamischen Republik zu unterlaufen.

IRAN-ECONOMY-ENERGY-OIL

Raffinerie auf der Insel Lavan vor der Südküste des Irans

(Foto: AFP)

In der Europäischen Union ist es seit 1. Juli nicht nur verboten, Öl aus Iran einzuführen, sondern auch Schiffen eine Versicherungsdeckung zu gewähren, die persisches Öl transportieren - neun von zehn Schiffsversicherungen werden in der EU ausgestellt. Allerdings behält der erst 2008 in Südkorea gebaute Tanker seine Registriernummer bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation ein Leben lang, wie eine Auto die Fahrgestellnummer. Die Hoda ist also noch immer leicht zu identifizieren, wie auch die etwa 20 anderen Tanker, die NITC umbenannt und umgeflaggt hat.

Jeden Monat verliert der Iran etwa drei Milliarden Euro

Es ist nur eine Anekdote, die illustriert, dass das europäische Öl-Embargo und die amerikanischen Finanzsanktionen Iran zu schaffen machen - auch wenn in Teheran jüngst eine ganze Reihe Offizieller von Ölminister Rostam Ghasemi bis zu Zentralbankchef Mahmud Bahmani vorgeschickt wurden, um das Gegenteil zu behaupten. Die US-Regierung schätzt, dass sich Irans Öl-Ausfuhren von 2,5 Millionen Fass à 159 Liter pro Tag auf 1,2 bis 1,8 Millionen verringert haben. Branchen-Analysten kommen auf ähnliche Zahlen: Iran verliere neben den 600 000 Barrel, die vergangenes Jahr noch in die EU gingen, auch Abnehmer für mindestens 400 000 weitere Fass. Gerade hat Teherans viertgrößter Kunde Südkorea unter dem Druck des USA angekündigt, seine Einfuhren zu stoppen. Dem Regime gehen damit erhebliche Einnahmen verloren; legt man den momentanen Ölpreis zugrunde, dürften jeden Monat etwa drei Milliarden Euro in den Kassen fehlen. Die Öleinnahmen machten bisher vier Fünftel der Exporterlöse aus und mehr als die Hälfte des Staatshaushalts.

Ganz so einfach, wie Ghasemi glauben machen will, fällt es Iran offenbar nicht, neue Abnehmer zu finden. Zum einen schrecken die US-Sanktionen ab, die jedem Finanzinstitut mit dem Ausschluss vom US-Markt drohen, das Geschäfte mit Irans Zentralbank macht. Die wickelt noch immer den Großteil des Ölhandels ab, auch wenn Iran gerade private Ölexporte zugelassen hat, um diese Maßnahme zu umgehen. Zum anderen lassen andere Förderländer, allen voran Saudi-Arabien, aber auch Irak und Libyen, ihre Quellen sprudeln und gleichen damit das Angebot am Markt aus. Um seine Fördermenge aufrecht erhalten zu können, nutzt Iran inzwischen etwa zwei Drittel seiner Tankerflotte als schwimmende Öltanks, die im Golf vor sich hindümpeln.

Viele Iraner können sich Handys nicht mehr leisten

In Iran bekommt inzwischen das Volk die Auswirkungen der Sanktionen zu spüren, auch wenn die verfehlte Wirtschaftspolitik von Präsident Mahmud Ahmadinedschad großen Anteil an der Misere hat. Die Landeswährung Rial hat in den vergangenen zwölf Monaten etwa die Hälfte ihres Werts gegenüber dem Dollar verloren, allein in den vergangenen Wochen 15 Prozent. Die Inflation liegt offiziell bei 25 Prozent, unabhängige Analysten schätzen, dass sie tatsächlich bis zu dreimal so hoch ist.

Die Regale in den Geschäften von Teheran sind noch voll, aber viele Iraner können sich Konsumgüter wie Handys nicht mehr leisten. Zum Teil müssen sie beim Essen an Fleisch und Geflügel sparen, deren Preise selbst nach offiziellen Angaben um ein Drittel gestiegen sind beziehungsweise sich verdoppelt haben. Zuletzt klagte gar ein Kommandeur der Revolutionsgarden im offiziellen Organ der Elitetruppe, Sobh-e Sadegh, die Regierung zahle den Sold zu spät.

Wann werden die Kosten untragbar?

Die wirtschaftlichen und politischen Kosten, die dem Regime durch seine harte Haltung im Atomstreit entstehen, steigen - doch fehlen bisher Anzeichen für ein Einlenken. Am Mittwoch sagte Ahmadinedschad in Teheran, die "Annahme der Feinde, sie könnten Iran durch die Sanktionen in eine schwache Position bringen ist falsch und das Ergebnis ihrer materialistischen Kalkulationen". Ali Chamenei, das geistliche Oberhaupt Irans, gab sich ähnlich hart: Die Sanktionen zielten darauf, die Geduld des Volkes zu zermürben und es von der Islamischen Republik zu spalten. "Doch wenn es Gottes Wille ist, werden sie keinen Erfolg mit ihrem Komplott haben, denn sie kennen unser Volk nicht und auch nicht unsere Behörden", prophezeite der im Atomstreit alles entscheidende starke Mann mit Blick auf den Westen.

Eine Prognose, wann diese Kosten für Iran untragbar werden und ob das Regime am Ende einlenken wird, scheuen westliche Diplomaten. "Wir reden eher von Monaten als von Tagen oder Jahren", sagt einer von ihnen. Irans Zentralbank hält nach eigenen Angaben Devisenreserven von 150 Milliarden Dollar. Unabhängige Schätzungen sprechen eher von 60 bis 100 Milliarden, doch auch das reicht für etliche Monate. Vizepräsident Mohammad Resa Rahimi sagte, Iran habe vorsorglich Importgüter eingelagert. Offen ist auch, wie lange der Westen sich in Geduld übt. Nur mit der unverbindlichen Formel, dass "die Zeit für Diplomatie nicht unendlich" sei, beschied ein hochrangiges Mitglied der US-Regierung Ende Mai in Moskau entsprechende Fragen. Deutlicher wurde da schon Obamas früherer Nahost-Berater Dennis Ross: Iran sehe den 6. November als das Datum, bis zu dem die USA den diplomatischen Prozess nicht scheitern lassen wollten - an diesem Tag wählen die Amerikaner ihren neuen Präsidenten.

"Das Risiko ungewollter Eskalation"

Und so eskaliert die Krise im Golf in extremer Zeitlupe vor sich hin. Im Parlament in Teheran fordern mehr als 100 Abgeordnete, die Straße von Hormus für Öllieferungen an westliche Staaten zu sperren; die US-Marine beurteilt die Lage aber als "relativ ruhig". Washington hat seine Minensuch-Flotte im Golf dennoch von vier auf acht Boote verdoppelt, um die Meerenge frei halten zu können, durch die ein Fünftel des weltweiten Ölhandels verschifft wird. Ein großes Manöver ist für September geplant. Auch zusätzliche Kampfjets der Typen F-22 und F-15C und wurden in die Region verlegt, ebenso wie das Spezialschiff Ponce, das als Kommandostand und Stützpunkt für Spezialeinheiten dienen kann.

Irans jüngste Raketenübung dürfte eher als Abschreckung gegen einen möglichen Angriff durch Israel oder die USA gedacht gewesen sein. "Doch", so fragt diabolisch ein Mitarbeiter einer westlichen Regierung, "was wäre für Iran leichter, als eine kleine Krise in der Straße von Hormus zu provozieren?" Das würde die Ölpreise wohl in die Höhe schießen lassen und Iran etwas Luft verschaffen. "Aber", fügt der Iran-Fachmann hinzu, "es birgt auch das Risiko ungewollter Eskalation, die zu Krieg führen kann."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: