Nach Gerüchten um Putschversuch:China schränkt Internet-Kurznachrichten ein

Weil Gerüchte über einen Staatstreich im Netz hohe Wellen schlugen, greift Peking hart durch: Die staatliche Internet-Behörde lässt sechs Internet-Nutzer wegen der "Erfindung von Gerüchten" verhaften, 16 Online-Seiten müssen vom Netz. Zwei prominente Twitter-Klone haben sich zudem verpflichtet, vorerst ihre Kommentarfunktion zu schließen.

Nach Gerüchten über einen Putschversuch gehen die chinesischen Behörden massiv gegen Internetseiten und Kurznachrichtendienste im Netz vor. Die Kurznachrichtendienste Sina Weibo und Tencent QQ sperrten am Samstag auf Druck der Behörden die Möglichkeit, Kommentare online zu stellen.

The logo of Sina Corp's Chinese microblog website 'Weibo' is seen on a screen in this photo illustration taken in Beijing

Twitter-Klon Sina Weibo: Von der staatlichen Internetbehörde "kritisiert und bestraft".

(Foto: REUTERS)

Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua wurden zudem 16 Internetseiten geschlossen und sechs Menschen wegen "Erfindung und Verbreitung von Gerüchten" insbesondere über Kurznachrichtendienste festgenommen.

Die Gerüchte über einen Staatsstreich waren entstanden, nachdem Mitte März der aufstrebende und charismatische Politiker Bo Xilai als Chef der kommunistischen Partei in der südwestlichen Metropole Chongquing entlassen worden war. Die Entlassung ließ Spaltungen innerhalb der Partei vor einem in diesem Jahr anstehenden Wechsel der Führungsspitze zu Tage treten - da es keine offiziellen Verlautbarungen zu einem möglichen Machtkampf gibt, verbreiteten sich schnell Gerüchte übeer starke Spannungen innerhalb der politischen Führung.

Dies gipfelte jüngst in Gerüchten über einen Putschversuch unter Leitung von Sicherheitschef Zhou Yongkang. Xinhua berichtete, die 16 Internetseiten seien geschlossen worden, weil Gerüchte "über in Peking einfahrende Militärfahrzeuge und darüber, dass in Peking etwas falsch läuft" verbreitet worden seien.

"Schädliche soziale Folgen" der Internet-Gerüchte

Tencent QQ erklärte, "über Kurznachrichtendienste verbreitete Gerüchte und illegale und schädliche Informationen hatten schädliche soziale Folgen". Sina Weibo teilte mit, die Kommentar-Funktion werde bis Dienstag blockiert.

Allerdings betreffen die Einschränkungen nicht die kompletten Dienste, die als Twitter-Klone gelten: Es ist weiterhin möglich, Kurzbotschaften ins Netz zu stellen und diese weiterzuverbreiten. Offenbar soll mit dem Abschalten der Kommentarfunktion die Diskussion über derzeit enstehende Gerüchte unterbunden werden. Xinhua zitierte einen Sprecher der staatlichen Internet-Behörde mit den Worten, die beiden Anbieter seien wegen der Vorfälle "kritisiert und bestraft" worden.

In China herrscht eine strenge Medienzensur. Kurznachrichtendienste sind daher eine Möglichkeit für Millionen von Chinesen, ihren Unmut über die Regierung, die Behörden und die kommunistische Partei zu äußern.

300 Chinesen nutzen Weibos

Die Politik fährt deshalb eine Doppelstrategie: Inzwischen sind viele Politiker und Beamte selbst auf Weibos aktiv, um Offenheit für Kritik zu signalisieren. Gleichzeitig sollen der Internet-Aktivisten Rebecca MacKinnon zufolge alleine bei Sina Weibo 1000 Mitarbeiter angestellt sein, um unliebsame Nachrichten zu zensieren. Seit einigen Tagen müssen sich die Mitglieder des Portals mit ihrem echten Namen registrieren, um Urheber kritischer Äußerungen besser verfolgen zu können. Bislang hatten Beobachter allerdings den Eindruck, dass die Klarnamen-Regel von Sina Weibo und seinen Nutzern nicht besonders ernst genommen wurde - dies dürfte sich nun ändern.

In China gibt es mehr als eine halbe Milliarde Internetnutzer. Mehr als 300 Millionen von ihnen haben Benutzerkonten bei Online-Kurznachrichtendiensten. Peking sorgt sich vor einem Übergreifen des Arabischen Frühlings auf das Land. Die Protestbewegung in zahlreichen arabischen Staaten war von sozialen Netzwerken im Internet maßgeblich vorangetrieben worden.

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