Nach Eskalation in Birma:"Die Welt wird Generäle zur Rechenschaft ziehen"

Mahnende Worte Richtung Rangun: Nach der Eskalation der Gewalt in Birma erhöht die Weltgemeinschaft den Druck auf die Militärmachthaber: Mehrere Staatschefs riefen die Junta zum sofortigen Gewaltverzicht auf - und forderten von der internationalen Gemeinschaft ein deutliches Signal.

In Birma sind die Sicherheitskräfte am Mittwoch erstmals massiv gegen die anhaltenden Demonstrationen vorgegangen. In Rangun setzten sie Tränengas ein, gaben Schüsse ab und zerrten sich widersetzende buddhistische Mönche in Lastwagen.

Nach unbestätigten Berichten kam mindestens ein Mönch ums Leben, es gab mehrere Verletzte. Nach Angaben des Rundfunksenders Democratic Voice of Birma in Oslo, der sich auf Augenzeugenberichte beruft, starben mindestens acht Menschen, unter ihnen fünf Mönche. Sie seien in unmittelbarer Nähe der Shwedagon-Pagode erschossen worden.

Der französische Diplomat Emmanuel Mouriez und ein in Norwegen lebender Dissident teilten ebenfalls mit, die Sicherheitskräfte hätten auf Demonstranten gefeuert. Er wisse nicht, ob es viele Tote oder Verletzte gegeben habe, "aber man kann sicher sein, dass Blut geflossen ist", berichtete Mouriez, ein Diplomat an der französischen Botschaft in Rangun, im Radiosender RTL.

Nach Angaben des in Thailand exilierten Zweigs der Nationalen Liga für Demokratie von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi wurden etwa 300 Mönche und andere Demonstranten festgenommen.

Am neunten Tag der Massenproteste hatten sich etwa 10.000 Mönche und Studenten gemeinsam mit Anhängern Suu Kyis einem Versammlungsverbot der Militärmachhaber widersetzt. Sie wollten von der Shwedagon-Pagode in die Innenstadt ziehen, wurden aber von Lastwagen der Streitkräfte gestoppt.

"Sie wollen uns töten"

Bewaffnete Sicherheitskräfte versuchten, Gruppen von Demonstranten in der Innenstadt von Rangun aufzulösen.

Es gab Berichte über Sachschäden, wobei zunächst nicht klar war, ob dies das Werk der Oppositionellen war oder das von die Junta unterstützenden Cliquen, die sich zwischen Soldaten und Polizisten gemischt hatten. Augenzeugenberichten zufolge zündete ein aufgebrachter Mob an der Pagode zwei Motorräder der Polizei an.

"Sie wollen uns töten, Mönche und Nonnen", sagte eine Nonne: "Vielleicht sollten wir zu unserem normalen Leben zurückkehren." Ein Student sagte dagegen mit Blick auf vorbeiziehende Demonstranten: "Wenn sie mutig sind, müssen wir auch mutig sein. Sie riskieren ihr Leben für uns." Die beiden wollten ihre Namen aus Angst vor Repressalien nicht nennen.

In der zweitgrößten Stadt des südostasiatischen Landes, Mandalay, lieferten sich etwa 800 Demonstranten, unter ihnen Mönche und Nonnen, ein Katz-und-Maus-Spiel mit etwa 100 Soldaten, die sie daran hindern wollten, zur Mahamuni-Paya-Pagode zu ziehen. "Wir haben solche Angst. Die Soldaten sind bereit, jederzeit auf Zivilisten zu schießen", sagte ein Mann.

Wie bekannt wurde, will sich der UN-Sicherheitsrat noch an diesem Mittwoch mit dem gewaltsamen Vorgehen der birmanischen Militärregierung gegen Demonstranten befassen. Dies teilte der französische Außenminister Bernard Kouchner in New York mit.

"Taktik der Einschüchterung"

Währenddessen häuften sich dringlichste Mahnungen der internationalen Gemeinschaft an die Militärjunta, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte das Militär in Birma zum Verzicht auf weitere Gewalt auf. Merkel äußerte am Mittwoch die Erwartung, dass die Machthaber in Rangun den "Weg frei machen für eine demokratische und friedliche Zukunft des Landes", wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte. Der Botschafter Birmas in Berlin wurde ins Auswärtige Amt einbestellt.

Steg erklärte, die Bundesregierung verurteile die Eskalation entschieden. Die Meldungen aus Birma seien erschreckend. "Die friedlichen Proteste hatten und haben unsere Sympathie", betonte er.

Deutliches Signal

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte ein deutliches Signal der internationalen Gemeinschaft. Kurz vor der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage in dem asiatischen Land sagte er in New York: "Wir sind in der Verantwortung, die Militärregierung aufzufordern, mit diesem Gebaren aufzuhören."

Der britische Premierminister Gordon Brown erklärte, Menschenrechtsverletzungen dürften nicht straflos bleiben. Sein Außenminister David Miliband rief die Junta zu äußerster Zurückhaltung auf. Die Welt werde die Generäle zur Rechenschaft ziehen, sagte er. "Es ist sehr wichtig, dass wir einhellig Zurückhaltung fordern." Auch Frankreich erklärte, das Regime werde für alle Gewalttaten gegen die Bevölkerung zur Rechenschaft gezogen.

Das Weiße Haus in Washington nannte die aktuellen Berichte aus Birma "beunruhigend". US-Präsident George W. Bush hatte am Dienstag vor der UN-Vollversammlung eine Verschärfung der Sanktionen gegen die Generäle in Birma angekündigt. Auch die EU drohte der Militärregierung damit.

Gegen Birma bestehen wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen seit 1996 Sanktionen der Europäischen Union, die zuletzt 2004 verschärft wurden. Dazu gehören Handelsbeschränkungen, ein Embargo für den Verkauf von Waffen und Einreisebeschränkungen für Mitglieder der birmanischen Militärregierung.

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