Süddeutsche Zeitung

Nach der Wahl:So könnte es in Katalonien weitergehen

Ex-Regionalpräsident Puigdemont strebt wieder an die Macht in Barcelona. Doch kann er das von seinem Exil in Brüssel aus? Und wie wird Spaniens Ministerpräsident nun reagieren? Fragen und Antworten nach der Katalonien-Wahl.

Von Barbara Galaktionow

Bei der Wahl in Katalonien hat das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter erneut eine Mehrheit der Parlamentssitze errungen. Doch mehrere ihrer Mitglieder stehen wegen Rebellion unter Anklage, sitzen in U-Haft oder sind im Exil. Können sie tatsächlich eine Regierung bilden? Und wird der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nun seine Haltung ändern? Die Unsicherheiten um die Situation Kataloniens bestehen auch nach der Wahl weiter. Was bislang bekannt ist:

Ist das Wahlergebnis ein klares Mandat für die Unabhängigkeit?

Die Befürworter einer Unabhängigkeit Kataloniens sind sich sicher: Die Katalanen hätten bei der Neuwahl des Parlaments am gestrigen Donnerstag eindeutig für die Unabhängigkeit gestimmt, befindet Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, dessen Wahlliste Junts per Catalunya (JxCat) das Lager der Sezessionisten anführt. Und auch Marta Rovira, Generalsekretärin der ERC, der zweitstärksten Partei in diesem Lager, zeigt sich überzeugt: Die Katalanen hätten für eine eigenständige Republik votiert.

Doch haben die Kräfte, die für eine Abspaltung der Region von Spanien sind, tatsächlich eine Mehrheit der Wähler hinter sich? Prozentual gesehen nein. Hier kommen sie nur auf knapp 48 Prozent der Stimmen. Faktisch ja. Denn JxCat, ERC und die linksradikale CUP haben mit 70 Parlamentssitzen mehr als die für eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus notwendigen 68 Sitze errungen. Die Diskrepanz ergibt sich dadurch, dass die Zahl der Stimmen, die für den Erhalt eines Parlamentssitzes notwendig sind, in den einzelnen Provinzen unterschiedlich ist.

Werden die Sezessionisten erneut die Regierung stellen?

Üblicherweise versucht zunächst die Partei eine Regierung zu bilden, die stärkste Kraft wurde - das ist in Spanien so wie in Deutschland. In Katalonien ist dies die liberale Bürgerpartei Ciutadans (Cs). Spitzenkandidatin Inés Arrimadas bekräftigte am Wahlabend ihren Anspruch auf die Regierungsbildung. Eine Koalitionsbildung werde "schwierig - aber wir werden es versuchen", sagte sie.

Es erscheint allerdings unwahrscheinlich, dass Arrimadas tatsächlich eine Regierung zustande bringt. Denn die Bürgerpartei gehört nicht zu den Befürwortern einer Unabhängigkeit, sondern - ganz im Gegenteil - zu den entschiedensten Verteidigern der Einheit Spaniens. Wahrscheinlich ist daher, dass die klar sezessionistischen Parteien JxCat, ERC und PUC sich erneut zu einem Bündnis zusammenfinden. Zuletzt hatten sich zwar zwischen den drei Parteien Meinungsunterschiede darüber angedeutet, wie eine Unabhängigkeit am besten zu erreichen sei. Diese dürften durch das insgesamt gute Abschneiden bei der Wahl jedoch zunächst nicht ins Gewicht fallen.

Kehrt Carles Puigdemont aus dem Exil zurück?

Die Bildung einer Regierung durch die Unabhängigkeitsbefürworter wirft eine ganze Reihe juristisch kniffliger Fragen auf. Denn mehrere der Politiker stehen unter anderem wegen Rebellion unter Anklage und sind im Exil oder sitzen in Madrid in Untersuchungshaft. Der ehemalige Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier seiner Minister hatten sich Ende Oktober nach Brüssel abgesetzt, um einer Verhaftung zu entgehen. Zuvor hatte die spanische Zentralregierung von Mariano Rajoy die Regionalregierung in Barcelona wegen ihrer separatistischen Bestrebungen entmachtet. Die Staatsanwaltschaft erhob in der Folge Anklage.

Puigdemont hatte vor der Wahl angekündigt, im Fall eines Wahlerfolgs nach Spanien zurückkehren zu wollen. Will er erneut Regierungschef in Barcelona werden, muss er das wohl auch. Der katalanischen Zeitung La Vanguardia zufolge müssen Kandidaten, die sich um das Amt des Regionalpräsidenten bewerben, sich dazu persönlich im Parlament vorstellen. Nur einfache Abgeordnete können ihr Mandat demnach durch einen Stellvertreter ausüben.

Puigdemont droht allerdings die sofortige Verhaftung, sobald er spanischen Boden betritt. Ein Richter müsste dann wohl darüber entscheiden, ob er für die einführende Sitzung aus der U-Haft entlassen würde. Ähnliches gilt wohl auch für ERC-Chef Oriol Junqueras, der erneut Vizepräsident werden könnte und zusammen mit weiteren Unabhängigkeitsverfechtern in Madrid in U-Haft sitzt. Grundsätzlich haben aber alle Angeklagten das Recht, politische Ämter auszuüben. Erst eine Verurteilung könnte das ändern.

Wie wird sich die Zentralregierung in Madrid verhalten?

Ministerpräsident Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) hat bei den Bestrebungen nach mehr Autonomie oder gar Unabhängigkeit stets eine harte Linie gegenüber Barcelona gefahren. Damit hat er selbst maßgeblich zur Eskalation des Konflikts beigetragen. Auf nach dem erneut starken Abschneiden der Unabhängigkeitsparteien sieht Rajoy offenbar keinen Anlass, seine Haltung zu ändern. Ein Gesprächsangebot Puigdemonts nach der Wahl schlug der spanische Regierungschef jedenfalls umgehend aus. Wenn er mit jemandem reden müsse, dann doch wohl mit Wahlsiegerin Inés Arrimadas, sagte Rajoy am Mittag in Madrid.

Dessen konservative Partei ist massiv geschwächt aus den Neuwahlen hervorgegangen. Von elf Sitzen stürzte die Volkspartei auf nurmehr drei ab. Das Wahlergebnis sei eine "Ohrfeige" für Rajoy, freute sich Puigdemont. Ob das den spanischen Ministerpräsidenten allerdings dazu bewegt, seine Haltung zu ändern, ist fraglich. Er kann zum einen darauf verweisen, dass das Einheitslager insgesamt nicht verloren hat, sondern die Stimmen seiner Partei nur an die Ciutadans abgewandert sind. Zum anderen dürfte Rajoy sein Verhalten nicht allein an den Wählern in Katalonien ausrichten, sondern in Spanien insgesamt. Und da scheint ihm die Unnachgiebigkeit gegenüber den Sezessionisten eher zu nutzen als zu schaden.

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