Frauke Petry und Jörg Meuthen sitzen in großer Eintracht da. "Wir haben uns gestritten, aber wir haben uns wieder zusammen gerauft", sagt der Bundessprecher der AfD. "Wenn eine Partei zwei Sprecher hat, ist ein Disput ein völlig normaler Vorgang." Die Ko-Vorsitzende stimmt zu, dem sei nichts hinzuzufügen. Im Frühsommer hatten die Parteichefs sich vor aller Augen verkracht, ein echtes Team werden sie wohl nicht mehr. Aber sie haben einen Burgfrieden geschlossen, ohnehin ist ihr Zwist so wenig zur Last für die AfD geworden wie viele andere interne Probleme der Partei vorher. Derzeit kann der AfD offenbar nichts schaden. Nun finden Petry, Meuthen und ihre Weggefährten an diesem Montag in Berlin immer neue Bilder, um ihrem Erfolg Bedeutung zu geben.
Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sei eine "kleine Bundestagswahl" gewesen", sagt Wahlsieger Leif-Erik Holm. Petry kündigt an: "Wir werden diesen Erfolg zweifelsohne nach Berlin tragen." Meuthen spricht "von einem Umbruch von historischer Dimension". Paul Hampel, Mitglied des Bundesvorstands, sieht sogar noch Größeres kommen: "Ich halte die AfD für die natürliche Nachfolgepartei der Christlich Demokratischen Union Deutschlands."
Die AfD soll regieren, wenn es nach Petry geht
Bescheidenheit ist für die AfD am Tag nach der Wahl keine Tugend, so wird plötzlich auch eine Option freimütig anvisiert, die in der Parteispitze eigentlich hoch umstritten ist: das Mitregieren. Petry schwebt schon lange vor, dass die AfD regieren soll, sie sprach freilich von der übernächsten Bundestagswahl - mit Rücksicht auf ihre innerparteilichen Antipoden wie AfD-Vize Alexander Gauland, der auf einen klaren Oppositionskurs beharrt. Am Montag sieht Bundessprecher Meuthen die Machtbeteiligung schon am Horizont: "Wir wollen langfristig in diesem Land regieren. Diesen Weg gehen wir beharrlich, unbeirrbar und Schritt für Schritt immer weiter, bis es so weit sein wird."
Als wäre es eine Gesetzmäßigkeit: "Mit der schieren Zustimmung, die wir bekommen, stellt sich die Frage irgendwann von selbst", sagt er. Man werde um die AfD irgendwann nicht mehr herumkommen. "Das kommt, das muss man mit einer gewissen Grundgelassenheit angehen." Meuthen nennt keine Zielmarke, sagt aber, es könne "idealerweise schon bei der Bundestagswahl" so weit sein, also 2017: "Wenn sich unser Erfolgskurs weiter fortsetzt, wird sich die Frage eventuell stellen."
Gebremste Euphorie
Ist es nach diesem fulminanten Erfolg überhaupt relevant, dass viele in der AfD sich mehr erhofft hatten? Manche in der Bundesspitze träumten von 30 Prozent. In Schwerin hatte Spitzenkandidat Holm das Ziel ausgegeben, stärkste Fraktion zu werden, also auch die SPD zu überholen. Mit Blick auf das Schloss, wo er nun Oppositionsführer wird, räumte er am Sonntagabend ein: "Der Zuspruch war hier sehr groß für uns, doch am Ende hat der Sympathiebonus von Sellering gezogen."
Zufrieden seien sie trotzdem, sprach er gebremst euphorisch. "Wir haben ja auch die CDU überholt, das ist das größte Signal, das man von hier aus nach Berlin senden kann." Im Wahlkampf wurde Holm zum Lautsprecher, den völkische Thesen nicht abschrecken. Im Gespräch spät am Wahlabend gab er sich zahmer. Ist er froh, dass die NPD aus dem Landtag flog, deren Anträge er wie jene der Linken auch mal unterstützen wollte? "Selbstverständlich. Die NPD ist eine extremistische Partei, wir sind eine bürgerlich-demokratische Partei."
Kein Wort zur AfD-Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl
Aber wieso dann die ständigen Attacken gegen Zuwanderung und Islam, obwohl Flüchtlinge und Muslime in Mecklenburg-Vorpommern kaum zu sehen sind? "Wir warten nicht, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist", antwortete er. Und wieso diese Kampfbegriffe wie "Kanzlerdiktatorin"? Das seien "Zuspitzungen im Wahlkampf, da muss man vielleicht hin und wieder ein bisschen abrüsten, das betrifft natürlich alle Parteien". Wie er sich die Oppositionsarbeit vorstelle? "Konstruktiv, wir werden natürlich mit allen reden. Wir wollen, dass die Gesellschaft zusammen wächst. Das heißt auch, sich mit Andersdenkenden auseinander zu setzen und sie nicht zu stigmatisieren." So sanft klang Leif-Erik Holm in der Wahlnacht - was sich aber schnell wieder ändern kann.
In Berlin spricht der AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski am Tag danach in freudiger Erwartung vom Mitregieren, im nicht eben kleinen Rahmen. In zwei Wochen werden in der Hauptstadt neben dem Landesparlament auch die Bezirksversammlungen gewählt. Jeder der zwölf Berliner Bezirke hat für sich so viele Einwohner wie eine Großstadt, und nach der Wahl werden die Posten der Bezirksräte entsprechend dem Wahlergebnis vergeben. So ist es vorgeschrieben. Sollte die AfD gut abschneiden, stünden ihr wichtige Ämter in der Exekutive zu, mit Verantwortung etwa für Bildungs-, Sozial- oder Jugendpolitik.
Unruhig könnte es in der AfD erst nach der Berlin-Wahl wieder werden, sobald sie ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 bestimmt. Frauke Petry dürfte sich als logische Kandidatin sehen. Doch nicht nur ihr Ko-Chef Meuthen sieht das anders. Dazu wollen am Montag in Berlin beide aber nichts sagen.
