Dabei sind der Grieche Alexis Tsipras und seine Syriza-Partei fast noch moderate Boten dieser Wende. Sie möchten, bei aller Kritik an der von Angela Merkel verfochtenen Sparpolitik, ihr Land im Euro-Raum halten. Andere sind radikaler und stellen Europa grundsätzlich infrage, etwa die Lega Nord in Italien oder der Front National in Frankreich. Sie jubeln über den Sieg Syrizas, auch wenn sie ideologisch anders gepolt sind; und sie bereiten sich vor, selbst an die Macht zu gelangen.
Für alle proeuropäischen Kräfte stellt sich da die Frage, wie die Erosion aufzuhalten ist. An den Griechen ein Exempel zu statuieren und sie aus dem Euro zu werfen, ist keine Lösung. Denn dann würde das Land bankrottgehen und in wirtschaftliche und soziale Agonie verfallen - mit Ansteckungsgefahr für andere Länder Europas. Syriza einfach nachzugeben, ist jedoch auch nicht möglich. Das würde nicht nur Begehrlichkeiten anderer Schuldenländer wecken, sondern auch zum Aufstand vieler Bürger in Deutschland und anderen wirtschaftlich solideren Staaten führen. So bleibt nur die Suche nach einem Kompromiss. Sie ist anstrengend. Doch sie zeigt zugleich: Die oft vermisste europäische Öffentlichkeit - die Diskussion der Europäer über Nationengrenzen hinweg - ist schon da.
Ein Kompromiss kann Europa zusammenhalten
Über Griechenland hinaus stellt sich dabei eine größere Frage. Wie können die Wirtschaft und die Staatsfinanzen in der EU gesunden, ohne dass Politik und Gesellschaft erkranken und die Völker einander zu Feinden werden? Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es nicht reicht, Problemstaaten zu einem harten Sanierungskurs zu zwingen. Wenn dabei Abermillionen Menschen die Hoffnung verlieren und zu radikalen Parteien flüchten, dann muss der Kurs korrigiert werden.
Das ist leichter gesagt als getan. Es geht darum, die Interessen in einem magischen Dreieck aus starken Ländern, schwachen Ländern und der Finanzwirtschaft auszugleichen. Helfen kann die Formel "Solidarität gegen Solidität". Wenn die Griechen unter Tsipras mit der Korruption aufräumen, keine Gefälligkeitsjobs im Staatsdienst mehr schaffen und für eine strikte Besteuerung ihrer Oberschicht sorgen, sollten ihnen die Deutschen unter Merkel bei Zins, Tilgung und Investitionen entgegenkommen. Ein solcher Kompromiss kann Europa zusammenhalten. Das liegt im Interesse aller.
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...und ihre Forderung nach strikter Haushaltssanierung und tief greifenden Strukturreformen. Wahlsieger Tsipras lehnt diese Sparpolitik ab.
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Im nächtlichen Taumel war erst spät vollkommen klar geworden, dass Syriza einen Koalitionspartner brauchen würde.
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Wie geht es weiter? Noch ist ungewiss, welche von Tsipras' Wahlkampfparolen seine Wandlung vom linken Volkstribun zum Regierungschef überleben werden.
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