Nach der Wahl in Bayern:Regieren ist alles

Zehn Prozentpunkte weniger, große Verluste in den Städten: Und doch fordert in der CSU am Tag nach der Wahl kaum jemand personelle Konsequenzen. Und die SPD? Hofft auf eine Trendwende in Hessen.

Von Detlef Esslinger und Wolfgang Wittl

Die CSU will zügig eine neue Regierung in Bayern bilden und schiebt alle internen Machtkämpfe zumindest auf. Im Parteivorstand erhielt Ministerpräsident Markus Söder gleich am Montagmorgen eine neue Nominierung für sein Amt: per Handzeichen, womit ein einstimmiger Beschluss garantiert war. Der Vorsitzende Horst Seehofer verschaffte sich vorerst Luft. Er gab an, alle Kritik "sehr aufmerksam aufgenommen" zu haben. Über mögliche Konsequenzen - "programmatisch und auch personell" könne Ende November oder Anfang Dezember gesprochen werden. Als Seehofer am Montagabend im ZDF gefragt wurde, was sein größter politischer Fehler im vergangenen halben Jahr gewesen sei, nannte er den "Stil der Auseinandersetzung" im Asylstreit. Am Mittwoch sollen die Gespräche mit den Freien Wählern über eine Koalition beginnen.

Bei der Wahl am Sonntag hatte die CSU mehr als zehn Prozentpunkte eingebüßt. Sie kam noch auf 37,2 Prozent; schlechter schnitt sie nur 1950 ab. Obwohl die meisten CSU-Spitzenpolitiker die Schuld dafür mehr bei Seehofer als bei Söder sehen, herrschte im Vorstand "keine Revolutionsstimmung", wie ein Teilnehmer sagte. Intensiv diskutiert wurde indes: über den richtigen und den falschen Kurs und über den Umgang miteinander. Indem Seehofer vorschlug, erst die Regierung zu bilden, dann aber gerne über Konsequenzen zu reden, beruhigte er offenbar die Lage. Der Vorstand billigte zwei Personalvorschläge Söders: Fraktionschef Thomas Kreuzer soll bestätigt und Bauministerin Ilse Aigner soll Landtagspräsidentin werden.

Was sich indes am Montag fortsetzte, war der Richtungskampf mit der CDU. In der Partei von Angela Merkel waren nämlich am Montag die meisten darum bemüht, die Schuld für das Debakel der CSU allein dieser anzulasten. In knapp zwei Wochen steht die nächste Wahl an, in Hessen, wo CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier vor allem auf Wähler der Mitte setzt. Zwei seiner Amtskollegen machten am Montag der CSU Vorwürfe. Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen zog aus der Bayernwahl die Lehre, "mit einem Rechtsruck oder besonderer Polemik" könne man keine Wahlen gewinnen. Noch konkreter wurde Daniel Günther aus Schleswig-Holstein. Ohne personelle Konsequenzen werde es bei der CSU "vermutlich kaum funktionieren", sagte er - und indem er Fehler sowohl Seehofer, Söder wie auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vorhielt, stellte er sie gleich alle drei zur Disposition. Die Antwort bekam er von Letzterem: "Ich erkenne natürlich den Versuch der Provokation", sagte Dobrindt und nannte den Ministerpräsidenten "Genosse Günther". Dieser hatte sich kürzlich in der Union unbeliebt gemacht, weil er über Koalitionen mit der Linken im Osten nachgedacht hatte.

Zu den Ungewissheiten dieser Tage gehört, wie sich der Hessen-Wahlkampf auf die große Koalition in Berlin auswirken wird. Die überwiegend geäußerte Meinung in der SPD ist ja, der Richtungsstreit in der Union habe in den vergangenen Monaten alles überlagert; deshalb hätten die Menschen nicht merken können, was die SPD alles Gutes für sie tue. Während Spitzenpolitiker von CDU und SPD nun betonen, wie wichtig Sacharbeit sei, muss zugleich jede Partei für sich - und damit gegeneinander - versuchen, in Hessen ein ehrbares Ergebnis zu erzielen. Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Spitzenkandidat in Hessen, übermittelte der SZ am Montag zwei Sätze. Der erste: "Klar ist, dass es in Berlin nicht mehr so weitergeht." Der zweite: "Ich erwarte, dass alle in der SPD jetzt an meiner Seite zeigen, dass die SPD auch anders kann." In einer Umfrage der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen liegt die SPD bei 25, die CDU bei gut 28 Prozent.

Was die Regierungsbildung in Bayern betrifft, äußerten sich die Freien Wähler (FW), bevorzugter CSU-Partner, am Montag forsch, vorsichtig und konziliant. Forsch war, dass ihr Chef Hubert Aiwanger "drei große oder fünf kleine Ministerien" verlangte. Dass man in ein Bündnis mit einer Partei, die fast nur Alleinherrschaft kennt, vorsichtig gehen muss, verdeutlichte Aiwanger so: "Sollte hier Foulspiel passieren, sagen wir - sucht euch einen Dümmeren." Und konziliant gab er sich, indem er sagte, "keine unerfüllbaren Forderungen" zu stellen. "Ich glaube, dass wir in 14 Tagen 80 Prozent ausverhandelt haben."

Nach der bayerischen Verfassung muss der Landtag bis zum 5. November zusammentreten und bis zum 12. November den Ministerpräsidenten wählen. Sollte dies nicht gelingen, hätte er eine letzte Frist bis 3. Dezember. So jedenfalls legt der Augsburger Staatsrechtler Josef Franz Lindner deren Text aus, wie er der SZ am Montag sagte. Anfang Dezember wäre dann auch die Zeit, in der die CSU nach dem Vorschlag ihres Vorsitzenden Seehofer über Konsequenzen entscheiden soll: bei einem kleinen oder bei einem großen Parteitag, oder einer Konferenz der Ortsvorsitzenden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: