Nach der Wahl: Außenpolitik:Deutschland von außen

Schwarz-Gelb und das Problem Außenpolitik: Eine Nation in selbstgebundenen Fesseln. Deutschland nimmt sich nicht ernst genug bei der Ausübung außenpolitischer Möglichkeiten.

Stefan Kornelius

Während der nun anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP könnte der Eindruck entstehen, dass Deutschlands außenpolitisches Schicksal und seine Glaubwürdigkeit vom Abzug eines halben Dutzend amerikanischer Nuklearsprengköpfe in der Eifel abhängen.

Das ist falsch. Genauso wenig wird die Abschaffung der Wehrpflicht, ein Herzensthema der FDP, die Rolle Deutschlands in der Welt entscheidend erschüttern. Die künftige Bundesregierung hat ein anderes, viel größeres Problem: Die Nation nimmt sich nicht ernst genug bei der Ausübung ihrer außenpolitischen Pflichten und Möglichkeiten.

Schlimmer noch, es gibt zu wenig Phantasie im Land, was diese Möglichkeiten und Pflichten sein könnten - für eine Nation, die immer noch eine Wirtschafts-Supermacht ist und davon lebt, dass ihr die Welt als (Handels-)Partner wohlgesonnen ist. Zur Anregung könnte dienen - wie häufig in außenpolitischen Dingen -, sich in die Köpfe der freundschaftlich und weniger freundschaftlich gesonnenen Nationen außerhalb der eigenen Grenzen zu versetzen.

Von Paris, Peking oder Washington aus betrachtet ist Deutschland noch immer eine Nation in selbstgebundenen Fesseln. Was über Jahrzehnte hinweg zunächst gewollt, später akzeptiert und schließlich - nach dem Fall der Mauer - stöhnend ertragen worden ist, wächst zu einem Problem heran.

Deutschland wird als komplizierter Partner empfunden, weil sich aus vielerlei guten und weniger guten Gründen eine außenpolitische Behäbigkeit entwickelt hat. Das macht Deutschland zu einem schwierigen, manchmal unmöglichen internationalen Akteur.

Es fehlt an außenpolitischem Gespür

In Deutschland wird dies nicht unbedingt als Problem empfunden. Es fehlt häufig an außenpolitischem Gespür und an einer ausreichend starken Lobby. Außenpolitik war auch im letzten Bundestag eher ein Nischenprodukt. Wer in die Politik will, kommt in der Regel nicht über Fragen von Krieg und Frieden zu Mandat und Macht. Anne Will mag keine Außenpolitik, da sinkt die Quote. Währenddessen wächst andernorts die Ungeduld. Die offensichtlichen Beweisstücke für den steigenden Druck aus den Partnerländern heißen Afghanistan und Iran.

Starke Führungsfigur Merkel

Aber Belege lasse sich auch anderswo finden, besonders in der EU, also vor der eigenen Haustür. Überall wird Klage erhoben, dass Deutschland zu wenig leiste, zu defensiv agiere, zu ängstlich auf die schwankende Stimmung und die Koalitionskräfte im eigenen Haus achte. Kurzum: Größe und Bedeutung des Landes stehen in keinem Verhältnis zum Beitrag für die Völkerfamilie. Die Geschichte der Bundesrepublik liefert treffliche Gründe für selbstverordnete Bescheidenheit.

Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen Bescheidenheit und lähmendem Unvermögen, genauso wie es einen Unterschied gibt zwischen Bescheidenheit und aggressiver Besserwisserei. Davon ist die Außenpolitik der Bundesrepublik weit entfernt, aber sie hätte viel einzubringen auf dem Weg hin zu einer modernen Bündnispolitik, etwa in der Nato, in einer hoffentlich zum Leben erwachenden Lissabon-EU oder im bilateralen Verhältnis mit den USA oder China.

In der Nato beginnen in diesen Wochen die Verhandlungen über ein neues strategisches Konzept, das nicht weniger liefern soll als ein Art Glaubensbekenntnis für die Allianz im 21. Jahrhundert. Die deutschen Sicherheitspolitiker, die in den vergangenen Jahren mit großem Respekt für andere Kulturen und Völker in ihre Einsätze zogen, hätten dabei allerhand beizusteuern. Allein: Deutschland wird nicht ernst genommen, solange es bei guten Ratschlägen aus Berlin bleibt und so wenig praktische Hilfe kommt.

Großer Erwartungsdruck auf der schwarz-gelben Koalition

Wer sich einer multilateralen Politik verschreibt, wer sich in Bündnissen gut aufgehoben fühlt, der darf es nicht bei warmen Worten belassen. Da ist die Nato nur ein Beispiel von vielen. Deswegen lastet nun auch großer Erwartungsdruck auf einer schwarz-gelben Koalition. Kanzlerin Angela Merkel wird als außenpolitische Überfliegerin angesehen, die von Gipfel zu Gipfel steigen kann und keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht auf einen Koalitionspartner SPD, der sich - von allen Parteien im deutschen Spektrum - am schwersten getan hat mit den Widersprüchen zwischen den praktischen politischen Zwängen und dem eigenen Idealismus.

Merkel wird in Europa nun als starke Führungsfigur wahrgenommen, besonders mit einer EU-freundlichen FDP an ihrer Seite. Eine Mitte-rechts-Koalition, so die Hoffnung der in diesen Fragen allemal konservativer denkenden Bündnisgenossen in Europa, wird der Öffentlichkeit mehr zumuten an harten Richtungsentscheidungen in der Außenpolitik - mehr Truppen und zivile Helfer nach Afghanistan, Sanktionen gegen Iran, nüchternes Selbstbewusstsein gegenüber China und Russland, ob es nun wegen der Buchmesse knirscht oder das Öl in den Pipelines stockt.

Außenpolitik ist die ungeliebte Disziplin in den bundesdeutschen Koalitionen. Der Außenminister erzielt zwar jeweils hohe Zustimmungswerte, aber nur solange er lächelt und Hände schüttelt. Das aber wird nicht mehr ausreichen, wenn das Land weiterhin ernstgenommen werden will in der Welt.

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