Rassismus ist in den USA allgegenwärtig - im Justizsystem, der Wohlstandsverteilung, dem Zugang zu Bildung. Zugleich wurde er zu einem großen Teil in die Köpfe, die abgeschlossenen Räume und die eigenen vier Wände verdrängt und mit der Trennung vieler Lebenswelten versiegelt. Ob sich dies nun ändert, ist eine der großen Fragen der sich anbahnenden Trump-Zeit.
"Aus Nachrichten und Hinweisen haben wir derzeit 80 Vorfälle wie Belästigung, Bedrohung oder Vandalismus", erklärte Rebecca Sturtevant vom Southern Poverty Law Center 48 Stunden nach der Wahl der Süddeutschen Zeitung. Das ist eine deutliche Vervielfachung der üblichen Zahlen. Die Bürgerrechtsorganisation sammelt auch über den Hashtag #ReportHate Berichte über Vorfälle.
Zahlen werden dem Trauma des Einzelnen nie gerecht, und woran sollte man sie messen? An den 310 Millionen Einwohnern der USA? An den sozialen Normen vor der Wahl des republikanischen Kandidaten, der Einreiseverbote für Muslime forderte und Mexikaner als Kriminelle und Vergewaltiger bezeichnete? An dem Misstrauen, das sich nun in die Köpfe einer multiethnischen Gesellschaft einnistet, der Sorge von schwarzen, braunen, asiatischen Amerikanern und von muslimischen US-Bürgern, dass dies eine "weiße Wahl" war? Und wie sollen die extremen Hasspostings in den sozialen Medien bewertet werden, in denen Rassismus und Homophobie längst jeder sozialen Kontrolle entzogen sind?
Der schwarze Autor Shaun King sammelt in seiner Timeline Beispiele für Vorfälle. Es handelt sich um Fotos und Medienberichte, aber auch Erzählungen von Betroffenen oder deren Freunden. Das Bild, das sich ergibt, lässt nichts Gutes erahnen. Schwarze, Muslime und Latinos erzählen von Vorfällen und Beleidigungen an Tankstellen, in Läden, Schulen oder Unis. Fotos zeigen rassistische und homophobe Botschaften. Frauen berichten von Drohungen, den "Donald Trump" zu machen (ihnen zwischen die Beine zu greifen).
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Nicht für alle dieser Berichte gibt es Belege. Eine Studentin in Louisiana hatte der Polizei gemeldet, von zwei Männern mit Trump-Mützen ausgeraubt, verprügelt und ihres Hidschabs beraubt worden zu sein. Dies stellte sich später als erfunden heraus und wird nun von Hardcore-Trump-Anhängern in den sozialen Medien zur Relativierung und Anzweiflung anderer Vorfälle genannt.
Ein Präsident, der Rassismus nie als Problem erkannt hat
Zusammenstöße bei Anti-Trump-Protesten in Portland werden in dieser Filterblase als Beleg dafür verwendet, wer die eigentlichen Unruhestifter sind; rassistische anti-weiße Botschaften auf einem Konföderierten-Denkmal in New Orleans zeigen in dieser Logik die "echten Rassisten" (zugleich protestieren an diesem Denkmal jeden Abend Hunderte meist weißer Studenten gegen Trump und den Rassismus seiner Anhänger).
Ob sich die Lage in der näheren Zukunft beruhigt, ist schwer absehbar. Dass viele Vorfälle aus Schulen gemeldet werden, lässt für die Zukunft des Landes nichts Gutes erahnen. Und der designierte US-Präsident hat im Wahlkampf Rassismus nie problematisiert, sondern einzig instrumentalisiert.
Die Frage ethnischer Identität und religiöser Vielfalt war in den USA immer ein Thema, aber es gab in den vergangenen Jahrzehnten zarte Hoffnungen, dass sie jenseits gelebter Unterschiede irgendwann einmal verschwinden könnte. Nun ist sie zurück im Fokus - und sie könnte in den kommenden vier Jahren in einer Weise in das Zentrum der amerikanischen Debatte rücken, wie es in diesem Land nicht mehr für möglich gehalten wurde.