Süddeutsche Zeitung

Nach der Hetzjagd in Mügeln:Mehr Geld für den Kampf gegen Rechts

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Die Politik reagiert auf die Vorfälle in Sachsen - und greift tiefer in die Tasche: Familienministerin Ursula von der Leyen kündigte an, die Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus um fünf Millionen Euro aufzustocken.

Als Reaktion auf die jüngsten Vorfälle in Mügeln stockt die Bundesregierung ihre Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auf.

"Wir nehmen den Kampf gegen den Rechtsextremismus sehr ernst", sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) unmittelbar vor Beginn der Kabinettsklausur im Schloss Meseberg.

Die Mittel werden nach ihren Worten um fünf Millionen Euro erhöht und bislang befristete Programme auf eine dauerhafte Basis gestellt.

Durch Medienberichte war bekannt geworden, dass der sächsische Landkreis Torgau-Oschatz, zu dem der Ort Mügeln gehört, sich für 2007 vergeblich um Fördergelder aus dem Programm der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus bemüht hatte. "Am 25. April erhielten wir aus Berlin die endgültige Ablehnung unseres Antrags", sagte der Sozialdezernent des Landkreises, Hans-Günter Sirrenberg.

Ministerin von der Leyen sah die Verantwortung dafür beim Land Sachsen. Nach üblicher Vorgehensweise schicke das Land eine Prioritätenliste an das Ministerium. Auf dieser Liste sei der Landkreis Torgau-Oschatz nicht aufgetaucht. Von der Leyen kündigte an, sich gemeinsam mit dem Land Sachsen für einen lokalen Aktionsplan einzusetzen.

Nach der Hetzjagd im sächsischen Mügeln haben Politiker mehr Mut gegen Rechtsextremismus gefordert. "Wir brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Zivilcourage", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla der Ostsee-Zeitung.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sagte in Berlin: "Wir brauchen Menschen, die nicht wegsehen, die aufstehen und Grenzen aufzeigen." Nach Darstellung des Bundesfamilienministeriums, das die Programme gegen Rechtsextremismus koordiniert, sind Arbeitslosigkeit, fehlende Jugendarbeit und eine nicht entwickelte zivilgesellschaftliche Tradition Gründe für Fremdenfeindlichkeit vor allem im Osten.

Wie aus einer Auswertung des "Aktionsprogramms für Demokratie und Toleranz" weiter hervorgeht, verlassen Hochqualifizierte und gut Ausgebildete, oft Frauen, die Region, "während die Problemgruppen bleiben". "Weitgehend unentwickelte zivilgesellschaftliche Traditionen setzen der Entfaltung bürgerschaftlichen Engagements deutliche Grenzen."

Bei einem Stadtfest in Mügeln waren in der Nacht zum Sonntag acht Inder von einem Mob gehetzt worden. Sie fanden Zuflucht in der Pizzeria eines Landsmannes. 14 Menschen wurden verletzt, darunter alle Inder und zwei Polizisten.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt gegen zwei 21 und 23 Jahre alte Tatverdächtige aus Mügeln wegen Landfriedensbruchs. Die 16-köpfige Ermittlungsgruppe der Polizei wurde am Donnerstag um zehn Beamte aufgestockt. Nach bisherigen Ermittlungen geht die Polizei davon aus, dass ein rechtsextremistisches Motiv nicht Ursache des Gewaltausbruchs war. Auslöser soll eine Rangelei im Festzelt gewesen sein, die eskalierte.

Der hannoversche Kriminologe Christian Pfeiffer meinte, in Ostdeutschland erlebten viele junge Männer Perspektivlosigkeit. Die Mischung aus schlechter Bildung, erlebter Gewalt in der eigenen Familie und Angst vor der Zukunft lasse sie gewalttätig werden, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Lothar Bisky, sagte im Deutschlandradio Kultur, die Wurzeln des Rechtsextremismus lägen tiefer. Um die Zivilcourage zu stärken, sei mehr Stetigkeit nötig.

Die FDP forderte Konsequenzen für die Polizeiarbeit in Sachsen. "Ich finde, dass die Polizei besser ausgebildet gehört", sagte die Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) begrüßte unterdessen die Pläne zu einer landesweiten Konferenz zum Thema Gewalt und Extremismus. "Wenn ich dorthin eingeladen werde, bin ich gern dabei", sagte Deuse.

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hatte laut einem Bericht des "MDR Sachsenspiegel" darauf hingewiesen, dass - unabhängig von dem Vorfall in Mügeln - für November eine Beratung mit Vertretern sächsischer Kommunen über Maßnahmen gegen Gewalt und Extremismus geplant ist.

Der Dresdner Staatskanzlei-Chef Hermann Winkler (CDU) sagte: "Wir wollen dort miteinander und nicht übereinander reden". Die Opferberatung Amal warf Politik und Polizei in Sachsen eine Beschwichtigungstaktik vor. Es sei unbegreiflich, dass die Ereignisse von Mügeln verniedlicht würden, sagte Ingo Stange von der Organisation im sächsischen Döbeln. Volksfeste in ländlichen Gegenden könnten durchaus als "No-Go-Areas" - gefährliche Zonen vor allem für dunkelhäutige Menschen - bezeichnet werden.

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