Nach der Flüchtlingskatastrophe:Hilfe in den Krisenstaaten - oder in Europa?

Auffanglager in Nordafrika

Wenn Flüchtlinge gar nicht erst in überladene Boote steigen, dann ertrinken sie auch nicht. Dieser Logik folgt die Idee, Auffanglager für Flüchtlinge bereits in Transitstaaten in Nordafrika zu errichten. Besonders Innenminister de Maizière macht sich dafür stark, nur dass er nicht von Auffanglagern, sondern von "Willkommenszentren" spricht.

Bereits in Afrika soll in diesen Zentren geprüft werden, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Wenn ja, dann soll der Weg nach Europa über ein legales Asylverfahren ermöglicht werden. Wenn kein Asylgrund anerkannt wird, sollen die Flüchtlinge mit finanziellen Reizen dazu bewegt werden, in ihr Heimatland zurückzukehren, statt die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer zu wagen.

Doch egal, ob Willkommenszentren oder Auffanglager - die Idee stößt bei Menschenrechtsorganisationen auf Ablehnung bis Entsetzen. "Dieser Plan ist unrealistisch und wird eher dazu führen, dass die Menschen doch illegal auf das Meer gehen, um nach Europa zu gelangen", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt im Dezember. "Da wird nur ein weiterer Festungswall um Europa gezogen." Die Vorstellung, dass die Flüchtlinge dann zu Hunderttausenden in Zeltstädten leben müssten, bezeichnete Burkhardt als "apokalyptische Vision".

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) steht dem Vorschlag skeptisch gegenüber. "Wenn die Flüchtlinge diese Zentren nicht als Tür, sondern als Mauer wahrnehmen, werden sie sich leider nicht abhalten lassen, weiter den Weg über das Meer zu suchen", sagte Maas.

Geregeltes Einwanderungsprogramm

De facto haben Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten wie Syrien kaum Möglichkeiten, legal nach Europa oder Deutschland zu kommen. Asyl kann nur beantragen, wer es auf europäischen Boden geschafft hat. Und mit Visa kommen Nichteuropäer nur herein, wenn die Behörden davon ausgehen, dass sie das Land auch wieder verlassen werden.

Ein Syrer, der in einer deutschen Auslandsvertretung etwa im Libanon oder Jordanien ein Touristen-Visum beantragen möchte, hat keine Chance. Es besteht sofort der Verdacht, dass er in Deutschland bleiben will. Seine einzige Möglichkeit ist der Versuch, illegal einzureisen - selbst dann, wenn er, einmal in Deutschland, gute Chancen auf Asyl hätte. "Es ist doch absurd, dass dieselben Flüchtlinge, die bei Ankunft in Europa Asyl- oder Bleiberecht bekommen, von der EU nicht vor dem Ertrinken gerettet werden", sagte der Menschenrechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe.

Doch welche sonstigen Möglichkeiten haben Flüchtlinge, legal einzureisen? Einen Weg gab es in den vergangenen Jahren, zumindest für einige Syrer: Über Aufnahmeprogramme der Bundesregierung und aller Bundesländer außer Bayern. Für insgesamt 20 000 beim UNHCR registrierte Syrer bot das Programm des Bundes die Chance, nach Deutschland zu kommen. Die Zahl der Menschen, die sich in den Auslandsvertretungen um einen Platz darin bewarben, war um ein Vielfaches höher. Es wurde geprüft, ob jemand etwa eine medizinische Behandlung benötigte oder bereits eine Verbindung zu Deutschland hatte - das erhöhte die Chancen.

Die Länderprogramme boten darüber hinaus für einige Tausend Syrer die Möglichkeit einzureisen, wenn Angehörige bei den Ausländerbehörden in Deutschland für ihr Auskommen garantieren konnten. Doch die Kapazitäten dieser Programme sind erschöpft.

Im Rahmen des sogenannten "Resettlement"-Programms erlaubt die Bundesregierung seit 2012 jährlich 300 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, aus Erstaufnahmestaaten wie Tunesien oder der Türkei nach Deutschland zu kommen. Ab 2015 werden dafür 500 Plätze bereitgestellt - 500 Plätze. Frontex schätzt, dass allein in Libyen zwischen 500 000 und eine Million Flüchtlinge auf die Reise nach Europa warten.

Menschenrechtsaktivisten und Politiker wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) fordern deshalb eine neue Flüchtlingspolitik in Europa. "Wir können nicht an dem Symptom weiter herumdoktern, sondern müssen erkennen, dass wir ein Einwanderungsgebiet sind und eine legale, geordnete Einwanderungspolitik benötigen", sagte Schulz dem Kölner Stadt-Anzeiger. Er kritisierte den mangelnden Willen der EU-Mitgliedsstaaten. "Nichts bewegt sich. Und das liegt nicht an der EU, sondern am Unwillen der Hauptstädte der EU-Mitgliedsstaaten. Nicht aller, aber einiger", so Schulz. "Wie viel muss eigentlich noch passieren, damit es dort endlich begriffen wird?"

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