Nach der Festnahme von Terrorverdächtigen:Die Suche nach den Unbekannten

Das BKA geht davon aus, dass die in Düsseldorf festgenommenen mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder Teil einer Gruppe waren - und sucht nach weiteren Verdächtigen. Zu den blutigen Plänen der Männer werden indes immer mehr Details bekannt.

Wolfgang Janisch

Der Bombenbau steckte noch in der Experimentierphase. Doch als die selbst ernannten Dschihadisten den Anschlag von Marrakesch freudig kommentierten, wurde den mithörenden Fahndern die Sache zu heiß: Am frühen Freitagmorgen griffen sie zu.

Police escort a suspected member of al Qaeda as they arrive at the federal supreme court in Karlsruhe

Nach den ersten Festnahmen: Die Polizei sucht nach weitern Terrorverdächtigen aus der "Düsseldorfer Gruppe".

(Foto: REUTERS)

Denn was das am Freitag in Düsseldorf und Bochum festgenommene Trio vorhatte, das Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) seit einem halben Jahr mit gigantischem Aufwand überwachen, wäre dem blutigen Szenario von Marrakesch mit 16 Toten und 25 Verletzten vermutlich beklemmend nahegekommen. Auch sie wollten eine Splitterbombe konstruieren, versetzt mit Metallteilen - so schilderten es am Samstag Vize-Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum und BKA-Chef Jörg Ziercke.

Noch hätten die mutmaßlichen Terroristen kein Anschlagsziel ausgewählt, allerdings sei bereits davon die Rede gewesen, die Bombe an einer Bushaltestelle oder in einem Bus explodieren zu lassen - ferngesteuert vielleicht, denn sie hatten im Internet nach entsprechender Technik recherchiert. Ein Attentat auf sogenannte "weiche Ziele" also, die sich überall finden und daher schwer zu schützen sind - weshalb den Ermittlern das Risiko zu hoch wurde.

Das Schema, nach dem sich die Terrorzelle gebildet hatte, wirkt inzwischen fast vertraut. Der mutmaßliche Kopf ist ein 29-jähriger Marokkaner namens Abdeladim El-K., gegen ihn wurde am Samstag Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erlassen. Zunächst hatte er Sprachkurse an diversen Hochschulen besucht, dann studierte er in Bochum Mechatronik und Maschinenbau, wurde 2009 exmatrikuliert, weil er die Kurse nicht mehr besuchte - und begab sich Anfang 2010 zu einer anderen Art der Ausbildung ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet nach Waziristan: Bombenbau, Konspiration, Waffentechnik.

Dort habe er von einem "hochrangigen al-Qaida-Mitglied" - dessen Identität den Bundesanwälten bekannt sei - den Auftrag für eine Sprengstoffanschlag in Deutschland bekommen.

Konspiratives Talent

Als Helfer habe er - ebenfalls im Einvernehmen mit der al-Qaida-Führung - zwei Bekannte eingebunden. Einer war der 31-jährige Deutsch-Marokkaner Jamil S. aus Düsseldorf, ein ausgebildeter Elektroanlagenmonteur mit Realschulabschluss, der in Deutschland geboren und im westlich geprägten Umfeld aufgewachsen ist; er sollte Geld und falsche Papiere beschaffen. Der zweite, Amic C. aus Bochum, ist 19 Jahre alt, stand kurz vor dem Abitur und war den Ermittlern zufolge für konspirative Kommunikation zuständig. Auch er ist in Deutschland geboren, hat aber daneben auch einen iranischen Pass.

Ziercke ist sich allerdings sicher, dass die Gruppe mindestens sieben bis acht Personen umfasst - wovon wenigstens eine noch unbekannt sei. Am Freitag seien nicht nur die Wohnungen der drei Festgenommenen durchsucht worden, sondern auch die Anwesen dreier weiterer Kontaktpersonen.

Wie weit das Trio tatsächlich mit seinen Vorbereitungen war, wird nach Zierckes Worten erst eine Auswertung sichergestellter "Substanzen" erweisen. Den abgehörten Gesprächen zufolge hätten sie Wasserstoffperoxid und Zitronensäure mit Hexamin mischen wollen, um damit einen Zünder herzustellen - was offenbar nicht ganz einfach war: Am 26. April zeichnete eine Wanze folgenden Satz auf: "Bombe ist nicht so schwer wie Zünder, weil Zünder ist mehr gefährlich als Bombe."

Bemerkenswert ist das hohe Maß an Konspiration, mit dem vor allem Abdelamin El-K. seine Aktivitäten tarnte. Er war inzwischen illegal in Deutschland und ging keinen "normalen" Beschäftigungen mehr nach. Von Call Shops aus habe er etwa ein Handbuch zur Herstellung von Spreng- und Brandbomben heruntergeladen. Ein heimischer Laptop war vorsichtshalber vom Internet abgehängt - der Datentransfer erfolgte über externe Speichermedien. Das BKA setzte für die Überwachung sein technisches Arsenal ein: Online-Durchsuchung, Telekommunikations- sowie Wohnraumüberwachung; die Wanzen in der Bombenküche lieferten denn auch aufschlussreiche O-Töne.

Die Aktivitäten der "Düsseldorfer Gruppe" deuten jedenfalls auf eine stärkere operative Rolle von al-Qaida hin. Ziercke sieht den Schwerpunkt des Netzwerks zwar nach wie vor darin, über Propagandavideos die "Meinungsführerschaft" zu erhalten und dadurch fanatische Einzeltäter zu Anschlägen zu motivieren. Allerdings stehe dahinter der schon Anfang 2010 von ganz oben ausgegebene Auftrag, Anschläge in Deutschland zu begehen. 130 "Gefährder" gebe es in Deutschland, so Ziercke - Islamisten also, die zu solchen Anschlägen bereit seien.

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