Nach den Morden von Dallas:Wie die US-Polizei versucht, das Vertrauen der Minderheiten zu gewinnen

Polizisten in Dallas

Polizisten in Dallas.

(Foto: AP)

Komplizierte Struktur, rassistisches Handeln: Die US-Polizei steht schon seit Längerem in der Kritik. Gerade in Dallas versuchte die Behörde aber, es besser zu machen.

Von Barbara Galaktionow, Markus C. Schulte von Drach und Vo Minh Thu Tran

Wie viel Vertrauen US-Bürger in die Polizei haben

Seit den Schüssen auf den unbewaffneten Schüler Michael Brown in Ferguson 2014 lassen immer weitere Fälle von tödlich endenden Polizeiaktionen gegen Schwarze die Debatte über rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA nicht abreißen. Dennoch ist Misstrauen gegenüber der Polizei kein allgemein verbreitetes Phänomen. In Umfragen bekundet immer noch eine deutliche Mehrheit der US-Bürger, Vertrauen in die Polizei zu haben.

Das Gallup-Meinungsforschungsinstitut verzeichnete zuletzt nach einem historischen Tief 2014/2015 sogar wieder einen Anstieg des Vertrauens. Demnach haben 56 Prozent der befragten US-Bürger ein respektables Bild von den Sicherheitskräften. Andere Umfragen weisen sogar noch höhere Vertrauenswerte aus.

Allerdings zeigt sich in der Gallup-Umfrage erneut ein seit Langem bekannter Fakt: Weiße US-Bürger beurteilen die Polizei deutlich positiver als schwarze. Mehr als 60 Prozent der Weißen gaben an, der Polizei zu vertrauen - aber nicht einmal 40 Prozent der Schwarzen.

Hautfarbe, politische Einstellungen, aber auch das Lebensumfeld spielen eine entscheidende Rolle bei der Sicht auf die Polizei. Während in vorwiegend von Weißen bewohnten Vororten oder Kleinstädten die Polizei oft als Beschützer empfunden wird, sieht das in Großstädten ganz anders aus - besonders in Stadtteilen, in denen überwiegend Schwarze leben.

Das rührt vor allem von den unterschiedlichen Erfahrungen her, die einzelne Gruppen mit der Polizei machen. Vor allem Afroamerikaner, aber auch andere Minderheiten, werden Untersuchungen zufolge auch in Alltagssituationen wie zum Beispiel bei Verkehrskontrollen häufig respektloser behandelt als Weiße. Für das Image der Polizei sei das Gefühl, fair behandelt worden zu sein, ausschlaggebender als die Frage, ob ein Autofahrer nun einen Strafzettel erhalte oder nicht, heißt es auf der Seite des National Institute of Justice.

Gibt es einen "War on Cops"?

Die gezielten Angriffe auf die Polizisten in Dallas dürften nun aber noch eine ganz andere Polizei-Debatte weiter befeuern. Die nämlich, wonach die Kritik an der Polizei, insbesondere durch die "Black Lives Matter"-Bewegung, einen "War on Cops" oder "War on Police" ausgelöst habe, also einen "Krieg gegen die Polizei". US-Polizisten als Opfer - das ist vor allem eine Sichtweise, die von konservativen Medien propagiert wird.

Sie wird offenbar von einer Mehrheit der US-Bürger geteilt. So bejahten im Herbst 2015 bei einer Rasmussen-Umfrage fast 60 Prozent der Befragten die Frage, ob ein Krieg gegen die Polizei herrsche.

Offizielle Zahlen stützen diese Vermutung allerdings nicht - im Gegenteil. Sowohl nach Erhebungen der Gedenkorganisation National Law Enforcement Officers Memorial Funds (NLEOMF) als auch des FBI war 2015 mit eines der sichersten Jahre für Polizisten in den vergangenen Jahrzehnten. Dem NLEOMF zufolge starben 2015 insgesamt 124 Polizisten im Dienst. Zum Vergleich: Anfang der Nuller Jahre waren es fast doppelt so viele. Von einem Krieg gegen Polizisten zeugen diese Zahlen nicht.

Mehr als ein Drittel der 2015 im Dienst Verstorbenen kam zudem bei Verkehrsunfällen ums Leben, andere aufgrund gesundheitlicher Probleme wie Herzattacken. Etwa 40 Polizisten wurden durch Schüsse getötet, deutlich weniger als im Vorjahr. Das FBI nennt eine ähnliche Zahl von Polizisten, die absichtlich getötet wurden. 2016 scheint sich die Lage bislang nicht verschärft zu haben: Etwas mehr als 50 Polizisten kamen laut der Officer Down Memorial Page insgesamt im Dienst ums Leben.

Wie die Polizei Vertrauen schaffen will

Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung der Polizei vertraut, ist man sich bei den Behörden doch bewusst, dass man gegen das Misstrauen bestimmter Gruppen etwas tun muss.

Wie solche Maßnahmen aussehen könnten, zeigen Städte wie Omaha, Baltimore - und auch Dallas. In Omaha im Bundesstaat Nebraska bemühen sich Polizisten, mehr mit der Bevölkerung zu kooperieren, indem sie zum Beispiel zu Kirchen- oder Nachbarschaftstreffen gehen. Tötungsdelikte in der Stadt sind seitdem fast um die Hälfte gesunken. Baltimore veröffentlicht alle Beschwerden und Klagen gegen seine Polizisten in einer Datenbank.

Auch Dallas bemüht sich um ein besseres Verhältnis zwischen Bevölkerung und Polizei. So werden dort zum Beispiel alle Daten von Schießereien, an denen Cops beteiligt waren, in einer Online-Datenbank veröffentlicht. Dass nun ausgerechnet in Dallas während einer Black-Lives-Matter-Demonstration fünf Polizisten getötet wurden, ist angesichts der Bemühungen um Transparenz bei der örtlichen Polizei besonders tragisch.

Die Veröffentlichung solcher Daten ist alles andere als selbstverständlich. Das US-Justizministerium fordert dies schon seit mehr als zwei Jahren. Die Regierung in Washington hat aber nicht die nötige Autorität, um die lokalen Behörden dazu zu zwingen. Das liegt auch am komplizierten Aufbau der Polizeibehörden.

Wie die US-Polizei aufgebaut ist

Die Organisation der Polizei in den USA ist kompliziert und von Ort zu Ort und Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich.

Es gibt einige Bundesbehörden, die für die gesamte USA zuständig sind, aber nur in bestimmten Fällen tätig werden. Die bekannteste Behörde ist das FBI, das zum Beispiel aktiv wird, wenn gegen Bundesgesetze verstoßen wurde oder ein Straftäter von einem Bundesstaat in einen anderen flüchtet. Andere Einrichtungen sind etwa die Drug Enforcement Administration gegen die Drogenkriminalität, und das zur Terrorabwehr eingerichtete Department of Homeland Security.

In den US-Bundesstaaten gibt es die State Police, State Trooper oder die Highway Patrol, die normalerweise zum Department of Public Safety gehören und vor allem für die Überwachung der Hauptverkehrswege zuständig sind. Die State Police wird gelegentlich zur Unterstützung der lokalen Polizeibehörden eingesetzt. Auch die Generalstaatsanwaltschaft eines Bundesstaates verfügt über ein eigenes Untersuchungsbüro. In Texas arbeiten die Texas Ranger als State Police.

Zudem gibt es mehr als 12 000 lokale Police Departments, die von Städten oder Bezirken eingerichtet werden; dazu kommen mehr als 3000 Sheriff's Offices, denen ein gewählter Sheriff vorsteht. Beide Behörden üben zum Teil gleiche Tätigkeiten aus - es gibt sie allerdings auch in manchen Bezirken gleichzeitig. Dann ist der Sheriff häufig für die Gefängnisse und die Sicherheit am Gericht zuständig. In Los Angeles etwa existiert das Los Angeles County Sheriff's Department - eine der größten Polizeibehörden der USA. Das Büro ist verantwortlich für die Sicherheit von öffentlichen Gebäuden, Parks und öffentlichem Verkehr im Bezirk Los Angeles, klärt aber auch Morde auf. Das Los Angeles Police Department dagegen übernimmt die Polizeiarbeit in der City selbst.

Zu diesen Sicherheitsbehörden kommen noch verschiedene Einrichtungen wie Tribal Police verschiedener Stämme amerikanischer Ureinwohner - etwa die Navajo Nation Police, oder die Campus Police an Universitäten und Colleges.

Wie hoch der Anteil der Schwarzen in der Polizei ist

Um das Vertrauen von ethnischen Minderheiten in die Polizei zu verstärken, bemühen sich die Behörden seit Jahren darum, deren Anteil unter den Sicherheitsbeamten zu erhöhen. Doch unter den Polizisten und Sheriff's Offices sind Minoritäten noch deutlich unterrepräsentiert.

Eine Untersuchung des US-Justizministeriums hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass Schwarze, Hispanics und andere ethnische Minderheiten 2013 nur 27,3 Prozent der Polizeibeamten in den 12 300 Police Departments stellten. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung war jedoch 37,4 Prozent. Schwarze stellten 2013 etwas mehr als zwölf Prozent der Polizisten, Hispanics 11,8 Prozent, andere Minoritäten drei Prozent.

In den 3012 Sheriff's Offices lag 2013 der Anteil der Schwarzen bei neun Prozent, Hispanics stellten elf Prozent und zwei Prozent der Beamten gehörten anderen Minderheiten an. Insgesamt lag der Anteil der Minderheiten dort bei 22 Prozent.

Für das Magazin Governing hat der Journalist Mike Maciag im vergangenen Jahr überprüft, wie die Belegschaft jener 269 Police Departments 2013 zusammensetzt war, die jeweils für mehr als 100 000 Bürgerinnen und Bürger zuständig sind. Vergleicht man diese mit den Verhältnissen in der jeweiligen Bevölkerung, zeigen sich deutliche Unterschiede:

Insgesamt waren ethnische Minoritäten dort um 24,5 Prozentpunkte unterrepräsentiert. (Ein Beispiel: In Jersey City, wo das Missverhältnis besonders groß war, gehörten 78,3 Prozent der Menschen einer Minderheit an. Diese stellten jedoch nur 35,7 Prozent der Polizisten. Sie waren demnach um 42,6 Prozentpunkte unterrepräsentiert.)

Das Missverhältnis war übrigens bei Hispanics mit 10,8 Prozentpunkten am größten. Bei den Schwarzen lag der Anteil der Polizisten 6,4 Prozent niedriger als ihr Bevölkerungsanteil. Bei den Asiaten waren es 5,2 Prozent.

Bringt es etwas, den Anteil von Polizisten, die zu Minoritäten gehören, zu erhöhen?

Die Hoffnung, dass mehr Angehörige ethnischer Minderheiten in der Polizei zu besseren Beziehungen zwischen beiden Seiten führt, wird nicht von allen Experten geteilt. Vor allem gibt es Zweifel daran, dass sich etwa schwarze Polizisten Angehörigen ihrer eigenen Minorität gegenüber anders verhalten als weiße Polizisten.

Der Soziologe Alex S. Vitale vom Brooklyn College in New York sagte dem Magazin Newsweek, dass sich beide in Bezug auf Gewaltanwendung nicht unterscheiden. Realität sei, "dass diese Polizisten Teil einer Institution sind, die klare Erwartungen und Forderungen hat, und dass sie auf diese wie die weißen Polizisten reagieren".

Ähnlich sieht es Delores Jones-Brown vom John Jay College of Criminal Justice an der City University of New York. Wie sie Newsweek sagte, könne Vielfalt eine gute Sache sein, aber, "es gibt Forschung, die zeigt, dass Polizisten unabhängig von ihrer Identität Teil der Polizeikultur werden, und dass in dieser Kultur eine 'Wir-gegen-sie'-Mentalität herrscht".

Eine Analyse von Berichten des Police Departments von Cincinnati zeigte 2006 sogar, das schwarze Polizeibeamte dort Verdächtige häufiger verhafteten, wenn diese ebenfalls schwarz waren. Eine Untersuchung des Justizministeriums in Philadelphia fand 2015 darüber hinaus Hinweise darauf, dass dort nicht nur weiße, sondern auch schwarze und hispanische Polizisten bei einem schwarzen Verdächtigen die Bedrohung häufiger falsch einschätzen als bei einem Weißen. Zur Vielfalt müsse deshalb auch eine bessere Ausbildung kommen, so Jones-Brown.

Mehr schwarze Polizisten müssen also nicht zwingend zu einer Verbesserung der Situation führen. Aber es gibt durchaus Hinweise, dass Vielfalt in der Polizeitruppe langfristig für Veränderungen sorgt: So sind Forscher jüngst zu dem Schluss gekommen, dass gerade in Städten, wo die Bevölkerungsanteile von Weißen und Schwarzen etwa gleich groß sind, die Zahl der Tötungen von Schwarzen sinkt, wenn die Polizei entsprechend zusammengesetzt ist. Joscha Legewie, Soziologe an der Yale University in New Haven, und Jeffrey Fagan von der Columbia Law School in New York vermuten, dass die Loyalität unter Polizisten unbewussten rassistischen Neigungen entgegenwirkt, wenn sie daran gewöhnt sind, Angehörige anderer Rassen in der gleichen Uniform zu sehen, die sie selbst tragen.

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