Nach den Landtagswahlen:Merkel warnt vor Personaldiskussion

Nach der Schlappe der CDU hatte Bayerns Innenminister Beckstein gefordert, die Kanzlerkandidatenfrage bis 2006 offen zu halten. Trotz der Verluste auch für die SPD sagte Bundeskanzler Schröder, die Ergebnisse gäben den Sozialdemokraten Auftrieb. Bestürzung herrschte parteiübergreifend über den Erfolg der rechtsextremen DVU und NPD.

Von Philip Grassmann und Reymer Klüver

Berlin - Nach der Schlappe der CDU bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ist Partei-Chefin Angela Merkel bemüht, eine neue Personaldiskussion in der Union zu unterbinden.

Die Wähler erwarteten, dass die Union "eine klare Geschlossenheit" zeige, sagte CDU-Chefin Merkel weiter. Sie betonte, eine Zeit lang könne man programmatisch diskutieren.

Dann erwarteten die Wähler aber eine klare Haltung. Das gelte vor allem für die seit fast einem Jahr ungeklärte Frage, wie das Gesundheitssystem finanziert werden soll.

Bis zu den Parteitagen von CSU und CDU im November und Dezember soll der Streit beigelegt sein. Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff riet zu einer härteren Gangart gegenüber der SPD. Man werde nicht "auf Samtpfoten" an die Macht kommen.

"Mannschaftsspiel erforderlich"

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt sprach von einem "bitteren Tag für die gesamte CDU". CSU-Chef Edmund Stoiber warnte die Union unterdessen vor einer Personaldiskussion. Sie sei "das Unnötigste, was es jetzt gibt".

CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte: "Jetzt ist Mannschaftsspiel erforderlich." CDU und CSU müssten noch näher zusammenrücken.

Bundeskanzler Schröder sagte, die Wahl in Brandenburg sei gewonnen worden, weil die SPD dort klar den Reformkurs der Bundesregierung unterstützt habe.

Auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering wertete das Ergebnis in Brandenburg positiv: "Nach einer Durststrecke ist die SPD aus dem tiefsten Tief heraus."

Die Bürger hätten erkannt, dass die Reformen nötig seien. Daraus könne die SPD nun neue Stärke entwickeln. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sprach von einem "Durchbruch" seiner Partei im Osten.

PDS-Chef Lothar Bisky sieht nach den Wahlerfolgen in beiden Ländern die Krise der Partei überwunden. Er mahnte allerdings, dass der Protest gegen Hartz IV die Partei "nicht dauerhaft sanieren" werde.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, seine Partei sei auf dem richtigen Weg, bei den vergangenen 27 Wahlen habe die FDP 26 Mal zugelegt.

Platzeck will mit CDU sowie der PDS verhandeln

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck kündigte Sondierungsgespräche sowohl mit dem bisherigen Koalitionspartner CDU als auch mit der PDS an.

Bereits am Wochenende könnte die Partei dann über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen befinden. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter erklärte in Berlin, ein Bündnis sei nur vorstellbar, wenn die PDS ihren Widerstand gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV aufgibt.

Er fügte allerdings hinzu, die Entscheidung über den Koalitionspartner treffe die brandenburgische SPD. Platzeck will seine neue Regierung bis Mitte Oktober gebildet haben.

Sachsens Regierungschef Milbradt kündigte Gespräche außer mit der SPD auch mit den Grünen und der FDP an. Allgemein wird jedoch mit einem Koalitionsangebot an die SPD gerechnet. Deren Parteichef Thomas Jurk nannte die mögliche Regierungsbeteiligung bereits "eine große Chance für die SPD".

Im Bundesrat sind damit die Chancen der Union auf eine Blockade-Mehrheit gesunken. Bei einer CDU/SPD-Koalition würden die vier Stimmen Sachsens wegfallen, weil sich das Land bei strittigen Abstimmungen künftig enthalten dürfte.

Die CDU müsste nun die Landtagswahlen sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr gewinnen, um in der Länderkammer noch auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu kommen.

"Das muss jedem Demokraten Sorgen machen"

Bundeskanzler Schröder zeigte sich besorgt über den Erfolg der Rechtsextremisten. "Das muss jedem Demokraten Sorgen machen", sagte er. Es müsse klar sein, "dass die nie eine Chance haben dürfen".

Bundespräsident Horst Köhler rief zur Besonnenheit auf: "Wir brauchen nicht in Panik zu verfallen." Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte das Abschneiden der Rechten erschreckend.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, mahnte Wachsamkeit an. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) sagte, angesichts des "bestürzenden Abschneidens der NPD" rechne er damit, dass es schwieriger werde, "ausländische Investoren nach Sachsen zu holen".

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis blieb in Brandenburg die SPD trotz deutlicher Verluste mit 31,9 Prozent stärkste Partei (33 Sitze), gefolgt von der PDS (28 Prozent/29 Sitze), der CDU (19,4 Prozent/20 Sitze) und der DVU (6,1 Prozent/sechs Sitze).

Die Grünen und die FDP verfehlten abermals den Einzug in den Landtag. Die Wahlbeteiligung lag mit 56,6 Prozent etwas höher als 1999. In Sachsen verlor die CDU die absolute Mehrheit und rutschte auf 41,1 Prozent (55 Sitze) ab.

Die PDS erreichte 23,6 Prozent (31 Sitze), die SPD 9,8 Prozent (13 Sitze). Die NPD kam auf 9,2 Prozent (zwölf Sitze), die FDP auf 5,9 Prozent (sieben Sitze), die Grünen erreichten 5,1 Prozent (sechs Sitze). Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent ebenfalls höher als bei der letzten Wahl.

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