Nach den Landtagswahlen:Geschlagene Sieger

Roland Koch hat die CDU bei der Landtagswahl in den Abgrund gerissen. Doch auch die SPD ist in Hessen nicht "wieder da" - auch wenn Spitzenkandidatin Ypsilanti das behauptet. Die Sozialdemokraten sind nur nicht mehr ganz so weg.

Kurt Kister

Die Wahlen in Hessen und Niedersachsen haben nur eine Überraschung gebracht, und die ist auch die einzig klare Botschaft dieser Wahlen: Das Ausmaß der Niederlage von Roland Koch ist mit 12 Prozent Verlust gegenüber seinem letzten Wahlergebnis gewaltig. Der Ministerpräsident hat seine Partei mit in den Abgrund gezogen.

Nach den Landtagswahlen: Will weiter Ministerpräsident bleiben: Roland Koch.

Will weiter Ministerpräsident bleiben: Roland Koch.

(Foto: Foto: dpa)

Koch sollte sein Amt zur Verfügung stellen, weil er persönlich verantwortlich ist für diesen Absturz. Wes Ungeistes Kind dieser egomanische Politiker aber ist, zeigt sich darin, dass er nicht nur Ministerpräsident bleiben will, sondern auch seinen Wahlkampf in Stil und Inhalt weiter für richtig hält.

Die CDU hat mit 36,8 Prozent in Hessen ihr schlechtestes Ergebnis seit fast vierzig Jahren eingefahren. Kochs nicht überzeugende Regierungsbilanz hat an dieser Niederlage den geringeren Anteil. Die größere Rolle spielt die Tatsache, dass Koch Jugend- und Ausländerkriminalität für seinen Wahlkampf zu instrumentalisieren begann, als die Meinungsforscher signalisierten, dass die SPD allmählich zulegte.

Wollte Gefährdung für das ganze Land konstruieren

Der Versuch, aus einer Gewalttat in der Münchner U-Bahn eine Gefährdung für das ganze Land zu konstruieren, war durchsichtig. Er war so durchsichtig, dass sich die Wähler in Hessen verhöhnt fühlen mussten, weil der Ministerpräsident offensichtlich darauf setzte, im letzten Moment ein Thema zu erfinden, um Stimmung zu machen. Roland Koch hat sich wie der Idealtypus des manipulativen Politikers verhalten, und er hat die Quittung dafür kassiert.

Kochs Abwahl - denn das ist in nuce passiert in Hessen - war aber nun keineswegs ein Sieg der SPD. Die wackere Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti stieg mit ihrer Partei zwar auf 36,7 Prozent. Das aber ist immer noch das zweitschlechteste Ergebnis, das die Sozialdemokraten seit 1946 in Hessen erzielten.

Die SPD legte zu, weil die CDU so dramatisch verlor - und sie legte nicht einmal genug zu, um stärkste Fraktion zu werden, geschweige denn eine stabile Regierung zu bilden. Ypsilanti sagt, die SPD sei jetzt wieder da. Nein, sie ist nur nicht mehr ganz so weg in Hessen.

Es ist verständlich, dass Kurt Beck und die Seinen nun versuchen, den Sieg in Hessen zu bejubeln, Niedersachsen zu vergessen und die SPD als erneuerte Sozialpartei darzustellen. Leider stimmt es so nicht.

Der Spitzenkandidat Jüttner in Niedersachsen ist von seinen Positionen her ähnlich "links" wie Ypsilanti. Gäbe es nun den so oft beschworenen "Linksruck" in Deutschland, an dessen Spitze die von Beck neu ausgerichtete SPD marschiert, dann hätte man auch in Niedersachsen etwas davon merken müssen. Hat man aber überhaupt nicht.

SPD beinahe unter der Dreißig-Prozent-Marke

Die SPD hat noch einmal drei Prozent verloren und wäre fast unter die Dreißig-Prozent-Marke, die Volkspartei-Grenze, gerutscht. In Niedersachsen hat die Mehrheit der Wähler keinen Anlass gesehen, den drögen, aber netten Christian Wulff und dessen schwarz-gelbe Koalition abzuwählen. Die neuerdings wieder etwas linkere Agenda der SPD, zumal der Jüttner-SPD, hat nicht einmal mehr ein Drittel der Wähler interessiert.

Hinzu kommt, dass die SPD von den Protestlinken nach wie vor nicht als glaubwürdige linke Partei eingestuft wird, Beck hin, Hamburger Parteitag her. Wäre dies anders, würde die Linke weder in Wiesbaden noch in Hannover im Landtag sitzen. Der aus der WASG hervorgegangene westdeutsche Teil der Linkspartei wird auf absehbare Zeit eine Anti-SPD-Vereinigung bleiben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Partei auch im Westen etabliert, ist groß. Solange die SPD aus nachvollziehbaren Gründen Koalitionen mit der PDS-Linken ablehnt, wird deren Aufstieg dazu beitragen, dass die SPD in vielen Bundesländern, außer in Großen Koalitionen, strukturell regierungsunfähig sein wird - mit den Grünen allein reicht es nicht, mit Linken und Grünen geht es nicht.

Geschlagene Sieger

Wer die Ampelkoalition als Alternative nennt, vergisst dabei, dass sich auch die FDP seit 1998 zu einer Anti-SPD-Partei entwickelt hat. Die alte sozial-liberale Koalition entstand in einer besonderen historischen Situation in Westdeutschland. Damals spielte eine Rolle, dass die CDU rechts- und gesellschaftspolitisch sowie in der Außenpolitik zum Teil nahezu reaktionär dachte. Dies ist heute nicht mehr so.

Nach den Landtagswahlen: Aufräumen nach der Wahl: In Hessen werden die ersten Plakate - hier von Andrea Ypsilanti (hi.) und Roland Koch - weggeräumt.

Aufräumen nach der Wahl: In Hessen werden die ersten Plakate - hier von Andrea Ypsilanti (hi.) und Roland Koch - weggeräumt.

(Foto: Foto: dpa)

Die FDP, allen voran ihr Vorsitzender Westerwelle, wittert Sozialdemokratismus und gewerkschaftlichen Etatismus zwar auch in der CDU. Trotzdem glaubt man bei der FDP, solchen Strömungen in einer Koalition begegnen zu können.

Mit der Post-Schröder-SPD aber haben die meisten FDP-Leute sowie ihre Wähler nichts am Hut. Die Einwilligung zu einer Ampelkoalition in Hessen wäre ein schwerer Verstoß gegen Wahlversprechen und die Erwartungen der FDP-Wähler.

In einer Hinsicht allerdings sind Hessen und Niedersachsen symptomatisch. Wir werden uns bis zur Bundestagswahl 2009 und darüber hinaus auf Fünf-Parteien-Parlamente einrichten müssen. Drei dieser Parteien - SPD, Grüne, Linke - sind irgendwie links, wollen aber (vorerst) nicht miteinander koalieren.

Solange das so bleibt, wird die SPD auf absehbare Zeit kaum irgendwo mehr stark genug sein, um als dominierende Kraft in einem Zweierbündnis regieren zu können. Es sei denn in einer Großen Koalition.

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