Nach den Abstürzen:US-Gericht prüft Zulassung für Boeing "737 Max"

Die Luftfahrtbehörde FAA wird verdächtigt, ein automatisches Steuerungssystem trotz Mängeln genehmigt zu haben.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Mutmaßliche Mängel an einem Flugsteuerungssystem der Boeing 737 Max haben die US-Justiz alarmiert. Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat ein Washingtoner Gericht Dokumente aus der Korrespondenz zwischen dem Flugzeughersteller und der Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) angefordert. Sollte sich der Verdacht von Fehlern bei der Zulassung des neuen Flugzeuges erhärten, könnten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Anklagen folgen.

Der Schritt ist im Zuge von Flugunfalluntersuchungen äußerst ungewöhnlich. Normalerweise wird die Aufklärungsarbeit den speziell dafür zuständigen Behörden überlassen, die Strafjustiz greift selten von sich aus ein. Der Konzern und die Behörde betonen allerdings, die Zertifizierung sei wie üblich abgelaufen. Seit dem vergangenen Mittwoch gilt ein weltweites Flugverbot für die Max-Baureihe. Die FAA hatte es als letzte große Genehmigungsbehörde beschlossen.

Zwei Maschinen des Typs waren binnen der vergangenen knapp fünf Monate abgestürzt - ein Flugzeug der indonesischen Lion Air, dann ein Jet der Ethiopian Airlines. Insgesamt waren dabei 346 Menschen ums Leben gekommen. Bei der Lion-Air-Katastrophe hatte das sogenannte Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) eine wichtige Rolle gespielt. Laut dem äthiopischen Verkehrsministerium weist der Verlauf des zweiten Absturzes Parallelen zum ersten auf. Die Voruntersuchungen der Justiz beziehen sich sowohl auf die Rolle Boeings als auch die der FAA. Diese hat laut der Seattle Times, bei der Zertifizierung der 737 Max geschlampt und die Zulassung kritischer Systeme an Boeing delegiert, um Zeit und Geld zu sparen.

MCAS war bei der neuesten Version der 737 eingeführt worden, um Flugeigenschaften trotz großer Änderungen an die des Vorgängermodelles anzugleichen. In bestimmten Fluglagen drückt MCAS die Nase des Flugzeuges nach unten, um einen Verlust des Auftriebs zu verhindern.

Die FAA hat MCAS offenbar trotz großer Mängel durchgewinkt. So kann das System das für die Fluglage maßgebliche Höhenleitwerk mehr als viermal so stark verstellen, wie in den Unterlagen dokumentiert. Außerdem spricht MCAS offenbar jedes Mal erneut an, nachdem der Pilot manuell gegengesteuert hat. Diese Funktionsweise sei, so heißt es, in dem einschlägigen Sicherheitsdokument nicht beschrieben.

MCAS bezieht seine Daten zudem nur von einem Sensor. Boeing hat das offenbar damit begründet, dass es sich bei dem System nicht um einen zentral sicherheitsrelevanten Teil der Steuerung handelt - dann wäre mindestens ein weiterer Sensor zum Datenabgleich vorgeschrieben. Allerdings kann MCAS gefährlich werden, wenn wie beim Lion-Air-Flug 610 die Daten nicht stimmen. Die Piloten wussten zudem nicht, welches System die Nase nach unten drückt, und dass sie es ganz einfach ausschalten konnten. Fluggesellschaften und Piloten haben den Hersteller seit dem Lion-Air-Absturz dafür kritisiert, dass er sie nicht ausreichend über das neue System informiert habe.

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