Süddeutsche Zeitung

Nach dem Unabhängigkeitsreferendum:Bagdad versucht, die Kurdengebiete zu isolieren

  • Die irakische Zentralregierung von Premier al-Abadi versucht eine Woche nach dem Unabhängigkeitsreferendum in den Kurdengebieten weiter, die Region zu isolieren.
  • Seit Freitagabend bereits sind die Flughäfen in Erbil und Sulaimaniyah von internationalen Verbindungen abgeschnitten.
  • Iraks Premier versucht zudem, die Kurden von den Einnahmen aus dem Ölverkauf abzuschneiden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die irakische Zentralregierung von Premier Haidar al-Abadi versucht eine Woche nach dem Unabhängigkeitsreferendum in den Kurdengebieten weiter, die Region zu isolieren. Seit Freitagabend bereits sind die Flughäfen in Erbil und Sulaimaniyah von internationalen Verbindungen abgeschnitten. Lediglich Hilfsflüge, militärische Flüge und solche zum Transport von Diplomaten werden zugelassen. Sonst bleibt nur die Verbindung über Bagdad; Inlandsflüge gibt es weiterhin. Ausländer, die in den Kurden-Gebieten festsitzen, dürfen laut dem Innenministerium über die irakische Hauptstadt ausreisen, ohne ein Bußgeld zahlen zu müssen oder ein Ausreise-Visum zu erwerben.

Abadi hatte die Regionalregierung von Präsident Massud Barzani aufgefordert, die Kontrolle über die Außengrenzen an die Zentralregierung abzugeben. Nachdem die Kurden dies verweigerten, sperrte Bagdad den Luftraum für internationale Verbindungen. Eine entsprechende Bekanntmachung an die Fluggesellschaften ist bis zum 29. Dezember befristet, kann aber verlängert oder auch früher aufgehoben werden.

Zwei wichtige Grenzübergänge nach Iran, Parviz Khan und Baschmakh, waren zumindest vorübergehend für den Güterverkehr geschlossen, weil die Revolutionsgarden an der Grenze zu den kurdischen Autonomiegebieten ein gemeinsames Manöver mit irakischen Schiiten-Milizen abhielten, den sogenannten Volksmobilisierungseinheiten. Laut der Nachrichtenagentur Tasnim, die den Revolutionsgarden nahesteht, sollte die Militärübung drei Tage lang dauern. Sie diene dazu, die Sicherheit der Grenzen zu garantieren, meldete das Staatsfernsehen.

Die Türkei hatte nahe dem Übergang Habur ebenfalls ein Manöver mit Dutzenden Panzern abgehalten. An ihm nahmen auch irakische Truppen teil. Die türkischen Verbände sind nach Ende der Übung in der Region um die Stadt Silopi geblieben und könnten jederzeit in einem Konflikt mit den Kurden eingesetzt werden. Iran und die Türkei lehnen das Unabhängigkeitsreferendum ebenso entschieden ab wie die irakische Zentralregierung. In beiden Ländern gibt es große kurdische Minderheiten.

Es gilt als möglich, dass irakische Einheiten versuchen, von Iran oder der Türkei aus die Kontrolle über die Grenzübergänge zu übernehmen oder Kontrollpunkte vor den eigentlichen Grenzübergängen auf türkischem und iranischem Gebiet zu errichten. Bislang hat die kurdische Regionalregierung ihre Peschmerga an den Übergängen stationiert.

Umstritten sind vor allem die Exporte von den Ölfeldern bei Kirkuk

Sollten sich die Kurden widersetzen, könnten Ankara und Teheran die Grenzen einseitig schließen. Für die Kurdengebiete hätte das einschneidende Folgen. Sie sind von Importen aus den beiden Nachbarländern abhängig, auch für ihre Lebensmittelversorgung. Etwa 70 Prozent der Einfuhren kommen aus der Türkei, 30 Prozent aus Iran. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mehrmals damit gedroht.

Der türkische Generalstabschef Hulusi Akar traf in Teheran seinen Kollegen Mohammad Bagher, um über weitergehende Reaktionen der beiden Länder zu beraten. Laut iranische Staatsmedien wollte Präsident Hassan Rohani ihn empfangen, ebenso Verteidigungsminister Amir Hatami und der Vorsitzende des Obersten Nationalen Sicherheitsrates, Ali Schamkhani.

Während die Länder in Syrien lange gegensätzliche Ziele verfolgten und auch im Irak Meinungsverschiedenheiten haben, koordinieren sie ihre Reaktion auf die Volksabstimmung der Kurden eng. Erdoğan wird am Mittwoch zu einem Staatsbesuch in Teheran erwartet, wo er neben Rohani auch Irans Obersten Führer, Ali Chamenei, treffen soll. Von diesen Treffen werden wichtige Entscheidungen über das weitere Vorgehen der beiden Länder erwartet.

Iraks Premier Abadi erhöht weiter den Druck und versucht, die Kurden von den Einnahmen aus dem Ölverkauf abzuschneiden, die mit Abstand wichtigste Finanzierungsquelle der Regionalregierung. Die Türkei habe zugesagt, anders als bislang beim Ölexport nur noch mit der Zentralregierung zusammenzuarbeiten. Eine Bestätigung dafür gab es aus Ankara zunächst nicht. Abadi kündigte an, mit dem Geld die Gehälter der Regierungsbediensteten in den Kurdengebieten zu bezahlen.

Umstritten sind vor allem die Exporte von den Ölfeldern bei Kirkuk. Sie liegen in einem Gebiet, das die Peschmerga kontrollieren, seit die irakische Armee im Sommer 2014 vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflohen war. Auch dort hatte die Regionalregierung die Volksabstimmung abgehalten. Bagdad beansprucht die Gebiete aber weiter für sich. Die Pipeline, die von Kirkuk nach Ceyhan führt, bringt Erbil etwa 80 Prozent seiner Einnahmen. Iran hatte den Transport von raffinierten Erdöl-Produkten aus und in die Kurden-Gebiete untersagt, allerdings verfügt die Regionalregierung in dem von ihr kontrollierten Gebiet selbst über Raffinerien.

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