Nach dem Tod Gaddafis:Weltsicherheitsrat soll über Libyen-Mandat entscheiden

Die Nato hat ihren Rückzug aus Libyen für Ende Oktober beschlossen. Nun fordert Russland, dass auch der Weltsicherheitsrat handelt und das Mandat für den Einsatz umgehend beendet. Die ungeklärten Todesumstände Muammar al-Gaddafis sorgen in Libyen für Spannungen. Die offziellen Feierlichkeiten zur Befreiung des Landes wurden verschoben.

Nach dem Tod des Diktators Muammar al-Gaddafi soll der Weltsicherheitsrat auf Vorschlag Russlands das Flugverbot über Libyen aufheben und das Mandat für den Militäreinsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung beenden. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin teilte nach Beratungen des Gremiums mit, er habe einen entsprechenden Resolutionsentwurf vorgelegt.

Libyans celebrate in Misrata

Bereits seit dem Tod Gaddafis am Donnerstag feiern die Libyer auf den Straßen die Befreiung ihres Landes. Der offizielle Festakt wurde aus ungeklärten Grünen erneut verschoben.

(Foto: dpa)

Die Nato hatte zuvor bereits angekündigt, den Libyen-Einsatz zum Monatsende auslaufen zu lassen. Tschurkin erklärte jedoch, es sei Sache des UN-Sicherheitsrats, das von ihm erteilte Mandat auch zu beenden. Das Bündnis verständigte sich nach Worten von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf eine Beendigung des sieben Monate währenden Einsatzes zum 31. Oktober. Ein förmlicher Beschluss soll nächste Woche gefasst werden.

Vor der Einigung hatte es starken Widerstand gegeben: Einige Bündnispartner hielten es "für politisch nicht geboten", unmittelbar nach dem Tod Gaddafis den Einsatz zu beenden, verlautete aus Diplomatenkreisen. Sie wollten zunächst eine Erklärung abwarten, die der Nationale Übergangsrat am Samstag zur Zukunft Libyens abgeben wolle.

Die UN-Botschafter Frankreichs und Großbritanniens, Gerard Araud und Mark Lyall Grant, vertraten die Auffassung, eine bessere Abstimmung mit libyschen Stellen sei nötig, um eine problemlose Übergabe der Luftraumüberwachung sicherzustellen. "Wir müssen das ordentlich machen", sagte Araud. Sein britischer Kollege erklärte, auch die Libyer hätten deutlich gemacht, dass sie nichts überstürzen wollten.

Übergangsrat verschiebt offiziellen Festakt

Mit dem Festakt zur Befreiung des Landes lassen sich die Libyer jedenfalls Zeit. Statt an diesem Samstag wird der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Dschalil, die Befreiung erst am Sonntag offiziell verkünden, teilte Informationsminister Mahmud Schamman dem TV-Sender al-Dschasira mit. Warum der Festakt erneut verschoben wurde, ist nicht bekannt.

Nach der Feier soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese Übergangsregierung soll dann eine verfassungsgebende Versammlung einberufen und freie, demokratische Wahlen vorbereiten. Der Nationalrat wird außerdem seinen Sitz von Bengasi, wo vor acht Monaten der Volksaufstand gegen Gaddafi begann, in die Hauptstadt Tripolis verlegen.

Wie die offiziellen Feierlichkeiten zur Befreiung Libyens, soll auch die Beerdigung Muammar al-Gaddafis weiter aufgeschoben werden. Nach muslimischer Tradition werden Tote normalerweise binnen 24 Stunden beigesetzt. Der Nationalrat wurde sich jedoch nicht einig, wann und wo der Tote bestattet werden soll. Bislang steht lediglich fest, dass der Ort geheim bleiben soll, damit Gaddafi-Anhänger keinen Wallfahrtsort bekommen. Tausende Menschen kamen bereits nach Misrata, um den dort aufgebarten Leichnam des ehemaligen Diktators zu sehen.

Gaddafis Stamm fordert Herausgabe des Leichnams

Zu den genauen Todesumständen Gaddafis kursieren unterdessen weiterhin unterschiedliche Darstellungen. Offizielle Stellen in Tripolis behaupten, der verletzte Gaddafi sei auf der Fahrt nach Misrata im Krankenwagen ins Kreuzfeuer neuer Kämpfe geraten und dabei tödlich verletzt worden. Nach Einschätzung eines Arztes starb der Ex-Diktator am Donnerstag durch "Schüsse aus nächster Nähe in Kopf und Bauch". Dies könnte auf eine absichtliche Erschießung hindeuten, berichtete der arabische Fernsehsender al-Arabija.

Die Nato bestätigte inzwischen, dass Flugzeuge am Donnerstag jenen Konvoi bombardiert hatten, mit dem Gaddafi aus der Stadt Sirte fliehen wollte. Die Nato habe nicht gewusst, dass sich Gaddafi in einem der Fahrzeuge befand. Vermutlich elf von insgesamt etwa 75 militärischen Fahrzeugen seien zerstört worden, weil sie mit Waffen und Munition beladen gewesen seien.

Wegen der rätselhaften Umstände des Todes forderten sowohl Gaddafis Ehefrau Safija als auch die Vereinten Nationen Aufklärung. Der Stamm Gaddafis hat den Nationalen Übergangsrat aufgefordert, die Leichen des ehemaligen libyschen Machthabers und seines Sohnes Mutassim unverzüglich herauszugeben. Sie sollen nach islamischem Brauch in ihrer Heimatstadt Sirte bestattet werden, heißt es in einer Mitteilung, die der in Syrien ansässige Pro-Gaddafi-Sender al-Rai veröffentlichte.

Die Unterzeichner wenden sich dabei auch an die Vereinten Nationen, die Organisation der Islamischen Konferenz und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Nach Informationen des britischen Senders BBC soll die Leiche demnächst obduziert werden, um Klarheit über die Umstände des Todes zu schaffen.

In Syrien und im Jemen inspirierte der Tod von Gaddafi Tausende Menschen, auf die Straßen zu gehen, um das Ende der jeweiligen Regime zu fordern. "Baschar - Du bist der Nächste", stand auf einem Transparent in Damaskus, wo die Opposition seit Monaten den Rücktritt von Baschar al-Assad fordert.

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