Nach dem Terror in Paris:Zurück ins Bistro!

Mourners Pay Their Respects At The Site Of The Terror Attacks In Place de la Republique

"Courage", "Mut" steht auf der von Kugeln durchsiebten Eingangstür des Café Bonne Bière, während das Leben ganz langsam anfängt, sich zu normalisieren.

(Foto: Bloomberg)

Der Präsident spricht vom Krieg. Doch die Pariser wollen Widerstand gegen den Terror leisten - vor allem durch Normalität.

Von Thomas Hummel, Paris

Direkt neben diesem Ort des Terrors liegt der Blumenladen La Fontaine Fleurie. Es wirkt, als hätte ihn jemand extra hierhin bestellt, die Menschen gehen hinein, kaufen eine Rose oder einen Strauß, um die Blumen keine zehn Meter weiter vor das Café Bonne Bière zu legen. Oder gegenüber vor das Restaurant Casa Nostra, wo ebenfalls die Einschusslöcher in den Fenstern zu sehen sind. Vier Menschen sind hier in der Rue de la Fontaine-au-Roi am Freitagabend gestorben, etliche verletzt worden.

Der Inhaber des La Fontaine Fleurie macht nun wohl das Geschäft seines Lebens. Trotz des Supermarkts Franprix direkt an dieser Kreuzung, der am Montag einen sehr großen Blumenstand vor dem Eingang aufgebaut hat, mit Extra-Verkaufstheke. Der Geschäftsführer dort muss schließlich auch an seine Bilanz denken.

Die Orte der Attentate im zehnten und im elften Arrondissement haben sich zu Pilgerstätten der Trauer gewandelt. Hier beim Bonne Bière, drüben in der Rue Bichat beim Café Le Carillon und dem Restaurant Le Petit Cambodge. Und natürlich vor dem Konzertsaal Bataclan. Blumen, Kerzen, kleine Bilder von Opfern an Zäunen, Bäumen oder am Café-Fenster. Die Leute sind still oder flüstern. Es ist eine Stimmung wie auf einer Beerdigung. Allerdings mit dem Charakter eines Trauer-Events, denn noch immer sind Medien aus aller Welt vor Ort - mit Übertragungswagen, Kameras und Mikrofonen. Viele Menschen machen Bilder mit ihren Handykameras.

Ein paar Meter die Straße hinunter sitzen Richard und Gaël, beide 42 Jahre alt, in ihrem Café Restaurant La Caravane und planen die Einkäufe für diese Woche. Es muss ja weitergehen. "Man muss die Gefühle der Menschen respektieren. Aber sonst tun wir alles, damit es so bleibt, wie es ist", sagt Richard. Seit 13 Jahren betreiben die beiden La Caravane, das Markenzeichen ist ein kleiner, blauer Wohnwagen, der über dem Eingang hängt. Gaël erklärt: Die Cafés, "les Terrasses" wie sie hier den Außenbereich mit den Stühlen und Tischen nennen, das sei das kulturelle Herz, die Identität von Paris. "Das ist der Raum für die Menschen, sich zu treffen, zu diskutieren, zu leben." Obwohl keine fünf Minuten entfernt die Kugeln flogen, hatten die beiden ihren Laden übers Wochenende offen. "Die Leute waren froh darüber", berichtet Richard.

Momente der Paranoia

Überall in der Gegend haben die Cafés wieder geöffnet. Sie sind der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Vor dem Carillon zum Beispiel macht ein Kamerateam aus Amerika Interviews mit den trauernden Parisern. Zwei Jugendliche sagen in das Mikrofon, dass sie sich unwohl fühlen bei dem Gedanken, dass sie auf der Terrasse sitzen und dann kommen plötzlich Terroristen und schießen los. Ein Mädchen sagt, sie habe in den vergangenen Tagen auch Momente der Paranoia gespürt. Der Interviewer aus Amerika macht ein verständnisvolles Gesicht, bedankt sich und drückt sein Mitgefühl aus. Nach dem Interview ist allerdings Essenszeit, also setzen sie sich genau gegenüber im Bistro Maria Luisa an einen Tisch an der Straße. Kann man schlechte Gefühle einfach wegessen?

Präsident François Hollande erklärte am Montag im Schloss Versailles, Frankreich befinde sich im Krieg. Der Ausnahmezustand wurde um drei Monate verlängert. Die Armee fliegt Angriffe in Syrien gegen den sogenannten Islamischen Staat. Die Polizisten und Soldaten in den Straßen von Paris tragen schusssichere Westen, haben ein Gewehr oder eine Maschinenpistole in der Hand. Sie wirken nervös und angespannt, auf einen Gruß reagieren sie fast misstrauisch.

Am Wochenende war in der Stadt fast nichts los. Doch seit Montag regiert wieder der Lärm, Taxifahrer hupen, Motorräder dröhnen. An der Rue de la Fontaine-au-Roi quält sich der Verkehr vorbei, manche Autofahrer fotografieren im Vorüberfahren mit dem Handy durch die offene Scheibe die Trauer-Szenerie. Die Abgase vermischen sich mit dem Duft der Kerzen.

Für den Dienstagabend startet der Gastromieführer Le Fooding im Internet die Aktion "Peace for Paris. Tous au Bistrot!" - Frieden für Paris. Alle ins Bistro! Es soll ein Akt des Widerstands sein, ein Zeichen an die Terroristen, dass sich die Menschen dieser Stadt nicht unterkriegen lassen wollen. Wie Richard vom La Caravane sagt: "Wenn hier jemand wegzieht und er kommt zurück, dann kann es sein, dass seine Freunde und Bekannten nicht mehr da sind. Dann geht er zurück in sein Café - und ist wieder zu Hause." So wie es immer war.

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