Nach dem Rückzug von Oskar Lafontaine:Linke erwägen weibliche Doppelspitze

Kommen nun Katja Kipping und Katharina Schwabedissen? Lafontaines Rückzug aus dem Rennen um den Linke-Vorsitz setzt auch Reformer Bartsch unter Druck. Eine weibliche Doppelspitze findet einflussreiche Anhänger.

Oskar Lafontaine hat seine Kandidatur für den Parteivorsitz der Linken zurückgezogen - gerät jetzt auch sein Konkurrent Dietmar Bartsch unter Druck? Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow brachte einen "dritten Weg" ins Spiel, nach dem Bartsch ebenfalls auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz verzichten solle. Zugleich mehren sich die Stimmen für eine weibliche Doppelspitze.

"Ich habe Dietmar Bartsch immer den Rücken frei gehalten", sagte Ramelow der Berliner Zeitung. "Aber wenn es einen besseren gemeinsamen Weg gibt, dann möchte ich darüber nicht öffentlich zu Gericht sitzen. Alle müssen sich gemeinsam an einen Tisch setzen." Denkbar sei eine weibliche Doppelspitze, bei der sich die Frage stelle, "ob ein versierter Bundesgeschäftsführer mit dem Profil eines Dietmar Bartsch dabei gewollt ist".

Auch Parteichef Klaus Ernst hielt ein weibliches Führungsduo für denkbar. "Zwei Männer haben wir ja schon gehabt", sagte er am Dienstagabend auf einer Regionalkonferenz in Berlin. Es müssten Frauen mit Ausstrahlung auch in die alten Bundesländer sein.

Der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Ulrich Maurer, sieht nach dem Rückzug Oskar Lafontaines für seine Partei nur eine Zukunft, wenn sie jünger und weiblicher wird. "Ich glaube, es ist an der Zeit, wenn die Linke überhaupt noch eine Chance haben will, dass sie jünger wird, dass sie weiblich wird und dass die Böcke sich vom Acker machen", sagte Maurer im ARD-"Morgenmagazin". Die Grabenkämpfe von Männerbünden müssten beendet werden, sagte Maurer, der als Unterstützer Lafontaines gilt.

Zu Lafontaines Rücktritt im Rennen um den Parteivorsitz sagte Maurer: "Er ist leider auf Leute getroffen, Gefolgsleute von Dietmar Bartsch, denen ist die Organisationsmacht in der Partei wichtiger als der Erfolg." Bartsch vertrete einen Teil der Funktionäre im Osten und nicht die Basis.

Harsche Worte für den Reformer aus dem Osten fand auch der brandenburgische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic. Der Bundestagsfraktionsvize Bartsch sei "jemand, der nicht von der Macht einer politischen Vision, sondern von der bloßen Vision der politischen Macht angetrieben ist", sagte Neskovic dem RBB-Sender Radio Eins. Zu einer möglichen weiblichen Doppelspitze sagte Neskovic, das wäre in der jetzigen Situation ein Weg.

Bartsch einziger männlicher Bewerber

Der stellvertretende saarländische Linke-Chef Heinz Bierbaum verlangte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, Lafontaines Lebensgefährtin, die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht, müsse in der Partei eine zentrale Rolle spielen. Der Saarbrücker Zeitung sagte er: "Sahra Wagenknecht ist die stärkste Frau, die wir haben."

Die Linkevize, die als führende Vertreterin der Parteilinken gilt, wäre im Falle einer Kandidatur die vierte weibliche Bewerberin nach Sabine Zimmermann, Katja Kipping und Katharina Schwabedissen. Bisher hat die Lebensgefährtin von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine lediglich abgelehnt, gemeinsam mit dem Lafontaine-Widersacher Dietmar Bartsch als Doppelspitze zu amtieren.

Die stellvertretende Parteichefin Katja Kipping aus Dresden und die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen hatten nach dem Rückzug Lafontaines am Dienstag angekündigt, sich für den Parteivorsitz bewerben zu wollen.

Hinter ihrer gemeinsamen Kandidatur stehe die Idee, Widersprüche in der Partei fruchtbar zu machen, erläutern die Bewerberinnnen in einer auf der Homepage von Kipping veröffentlichten Erklärung. "Wir kommen aus unterschiedlichen politischen Richtungen. Wir haben sehr verschiedene Biografien und sind in vielen politischen Fragen durchaus nicht immer einer Meinung", heißt es dort. Doch diese Widersprüche erlebten sie nicht als Blockade, sondern als Gewinn.

"Wir fühlen uns dem Aufbruch in Richtung einer neuen, nicht-autoritären Linken verpflichtet", heißt es weiter in der Erklärung, die neben den zwei Bewerberinnen auch von Bundesgeschäftsführerin Caren Lay, Vorstandsmitglied Brigitte Ostmeyer und den Bundestagsabgeordneten Jan van Aken und Thomas Nord unterzeichnet wurde. Prominente Linke-Politiker haben für den Mittag (12 Uhr) zu einer Pressekonferenz in Hannover eingeladen, zu der auch Schwabedissen und Kipping erwartet werden.

Die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann sieht ihre Chancen durch den Rückzug Lafontaines nicht geschmälert. "Ich habe meine Kandidatur nicht von Oskar Lafontaine abhängig gemacht", sagte Zimmermann der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse.

Lafontaine hatte am Dienstag seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt, nachdem Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi ihm am Montag seine Unterstützung entzogen hatte. Lafontaine hatte sich nur unter der Bedingung zu einer Kandidatur bereiterklärt, dass kein anderer gegen ihn antritt. Vor allem Ost-Linke, die dem pragmatischen Flügel um Bartsch zuzurechnen sind, bezeichneten dieses Verhalten als undemokratisch.

Der Streit zwischen Bartsch und Lafontaine hatte die Gräben zwischen den Flügeln der Partei vertieft. Bartsch vertritt den realpolitischen Flügel, Lafontaine gehört zu den Parteilinken, die einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei an der Seite der SPD skeptisch gegenüberstehen. Die neue Linken-Führung soll auf dem Parteitag in Göttingen am 2. und 3. Juni gewählt werden. Nach dem Rückzug Lafontaines ist Bartsch derzeit der einzige männliche Bewerber.

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