Süddeutsche Zeitung

Nach dem Nein der Slowakei zur EFSF-Aufstockung:Sag niemals nie

Das slowakische Parlament hat mit "nie" gestimmt - mit nein. Die Regierung Radicova ist am Ende, die Aufstockung des Euro-Rettungsfonds vorerst blockiert. Warum der Fonds trotz des Votums aus Bratislava noch eine Zukunft hat - und was die Slowaken dabei tun können: Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Johannes Aumüller und Wolfgang Jaschensky

Wochenlang haben die nationalen Parlamente der Eurozone über die Erhöhung des Rettungsschirms abgestimmt, 16 von 17 Ländern haben mit ja votiert - doch nun hat das letzte Land die Planungen torpediert. Das slowakische Parlament hat den mit insgesamt 780 Milliarden Euro ausgestatteten Rettungsschirm vorerst durchfallen lassen. Die an der Regierung beteiligten Neoliberalen der Partei Freiheit und Solidarität stimmten aus inhaltlichen Gründen dagegen; die oppositionellen Sozialdemokraten enthielten sich, weil Ministerpräsidentin Radicova die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpft hatte. Welche Folgen hat das? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet das slowakische Nein für die geplante Aufstockung des Rettungsfonds?

Die Vertragslage ist eindeutig: Die Aufstockung des Euro-Rettungsfonds EFSF ist nur möglich, wenn alle 17 Euro-Staaten mit ja stimmen. Lehnt ein Land die Pläne ab, gibt es zwar weiterhin einen Rettungsfonds, dieser verfügt aber "nur" über 440 Milliarden Euro. Und diese Summe, da sind sich alle Beobachter einig, ist in der derzeit angespannten Lage zu gering, um die Märkte zu beruhigen und für eine eventuelle Notsituation in großen Volkswirtschaften wie Spanien oder Italien gewappnet zu sein.

Was bedeutet das slowakische Nein für die bereits laufenden Hilfsmaßnahmen?

Nichts. Mit Portugal und Irland bekommen derzeit zwei Staaten Geld aus dem im Vorjahr gegründeten EFSF - und diese erhalten die vereinbarten Summen weiterhin. Auch für das im Mai 2010 beschlossene erste Hilfspaket für Griechenland hat das "nie" (Slowakisch für nein) aus Bratislava keine Konsequenzen. Athen darf mit den nächsten Tranchen aus dem insgesamt 110 Milliarden Euro umfassenden Paket rechnen - vorausgesetzt, die Regierung erfüllt die Sparvorgaben.

Theoretisch wäre es sogar vorstellbar, dass auch das vor einigen Monaten ausgetüftelte zweite Rettungspaket für Griechenland in Kraft tritt. Denn formal gibt es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen zweitem Griechenland-Paket und EFSF-Aufstockung. Möglicherweise würde der Schirm in seiner jetzigen Größe für Griechenland reichen. Allerdings scheint es angesichts der aktuellen Debatten (siehe möglicher Schuldenschnitt, siehe Troika-Bericht) ohnehin unklar zu sein, wie die Rettung für Athen letztlich aussieht.

Was bedeutet die Niederlage in der Vertrauensfrage für die slowakische Regierung?

Vor der Abstimmung hatte Ministerpräsidentin Radicova von den rechtsliberalen Christdemokraten SDKÚ-DS ihren drei Koalitionspartnern mitgeteilt, dass die Abstimmung über "unsere Zukunft in Europa" gleichzeitig ein Votum über das "Vertrauen in unsere Regierung" sein werde. Das Parlament hat diese Frage mit "nein" beantwortet. Damit ist die bisherige Vierer-Koalition erst einmal am Ende. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten wie es weiter gehen kann:

[] Variante 1: Die Sozialdemokraten, derzeit schon stärkste Kraft im Parlament, finden einen Koalitionspartner unter den bisherigen Regierungsparteien und wählen einen neuen Regierungschef aus der Mitte des bestehenden Parlaments. Denkbar wäre eine Koalition mit SDKÚ-DS, den konservativen Christdemokraten KDH und einer Partei der ungarischen Minderheit, Most-Híd (Brücke). Eine Koalition zwischen den Sozialdemokraten und der neoliberalen Partei Freiheit und Solidarität ist kaum vorstellbar.

[] Variante 2: Die Slowaken wählen ein neues Parlament. Auch dann könnten die Sozialdemokraten darauf hoffen, den neuen Regierungschef zu stellen. In aktuellen Umfragen erhalten sie mehr als 40 Prozent Zustimmung.

[] Variante 3: Die bisherige Vierer-Koalition rauft sich noch einmal zusammen.

Ist ein nachträgliches slowakisches Ja möglich?

Es ist möglich - und sogar sehr wahrscheinlich. Beobachter rechnen damit, dass es bereits am Mittwochabend oder Donnerstagmorgen dazu kommen könnte. Der Clou: Weil die Regierung Radicova nun nicht mehr amtiert, ist es nicht mehr möglich, die Abstimmung mit einer Vertrauensfrage zu verknüpfen. Insofern dürften alle Parteien nach rein inhaltlichen Gesichtspunkten abstimmen - und das wiederum dürfte zu einer Mehrheit für die Aufstockung des Rettungsfonds führen. Der slowakische Finanzminister Ivan Miklos ist optimistisch, dass es so kommt. "So oder so" werde es noch diese Woche eine Zustimmung zur EFSF-Aufstockung geben, sagte er.

Ein wenig erinnert die Situation in der Slowakei an jene Wochen, als Portugal gezwungen war, Rettungsfonds-Gelder zu beantragen. Da taktierten die politischen Parteien endlos lang, bis am Ende die Konservativen an die Macht kommen konnten. Und dann ging es mit den Zusagen für die Brüsseler Sparbedingungen und der Bitte um Hilfsgelder plötzlich ganz fix.

So ähnlich könnte auch jetzt in der Slowakei eine politische Seite die Euro-Debatten als Möglichkeit genutzt haben, einen Regierungswechsel herbeizuführen.

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