Nach dem Massaker in Las Vegas:Warum sich an den US-Waffengesetzen nichts ändern wird

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Für Deutsche äußerst befremdlich: Werbung für einen Schießstand der sich "Battlefield Vegas" (Schlachtfeld Las Vegas) nennt. (Foto: REUTERS)
  • Schießereien und Amokläufe gehören in den USA mittlerweile zum Alltag.
  • Die Waffengewalt der vergangenen Jahre habe nicht zu strengeren Gesetzen geführt, schreibt der Thinktank "Center for American Progress".
  • Die meisten Demokraten werden nach dem Attentat in Las Vegas auf Veränderung pochen. Die meisten Republikaner werden am Recht auf den Besitz von Schusswaffen festhalten.

Von Sacha Batthyany, Washington

Wenn es eine Sicherheit gibt in diesem Land, dann die, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein Massaker wie in Las Vegas das Land wieder mal einen Schock versetzen würde. Denn Schießereien und Amokläufe gehören in den USA mittlerweile zum Alltag. Vor drei Wochen etwa erschoss jemand acht Menschen in Plano, Texas, nur hat man davon kaum etwas gehört, weil acht Schussopfer nicht mehr reichen, um Schlagzeilen zu machen.

Die Zahlen sprechen ein klares Bild. Seit dem Amoklauf in einem Schwulenclub in Orlando im Juni 2016, damals das tödlichste Attentat in der Geschichte der USA, starben mindestens 585 Menschen in sogenannten "Mass shootings", mehr als 2100 Menschen wurden in Schießereien verletzt. In den USA sterben mehr Menschen durch Waffen als durch Aids, Drogen, Kriege und Terror zusammen. Doch was wurde politisch seit dem Attentat in Orlando unternommen? Nichts.

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Die Waffengewalt der vergangenen Jahre habe, landesweit betrachtet, nicht etwa zu strengeren Gesetzen geführt, schreibt der Thinktank "Center for American Progress". Im Gegenteil. Die vielen Schießereien hatten zur Folge, dass sich immer mehr Menschen Waffen kaufen, um sich im Notfall selbst verteidigen zu können; was zu einer Art Aufrüstung führte. 300 Millionen Schusswaffen befinden sich heute in Privatbesitz - und jedes Mal, wenn der damalige Präsident Barack Obama davon sprach, endlich etwas zu unternehmen, schossen die Verkäufe in die Höhe.

Im Bundesstaat Nevada stirbt alle zwanzig Stunden ein Mensch an einer Kugel

Auch wenn also der unwahrscheinliche Fall einträfe und die Politiker neue Gesetze beschlössen, was unter diesem Präsidenten schwer vorstellbar ist, würden all die MPs und Sturmgewehre nicht einfach verschwinden. Im Bundesstaat Nevada etwa, wo das Attentat vom Sonntag passierte, stirbt alle zwanzig Stunden ein Mensch an einer Kugel.

Es gibt in den USA eine ganze Landkarte der Amokläufe. Orte wie Aurora, Littleton oder Orlando sind auf ewig durch die Attentate in Kinos, Schulen oder Nachtclubs gezeichnet. Nun also Las Vegas, eine Stadt, in der viele Amerikaner ein paar Tage verbringen, um ihren Alltag hinter Glücksspielautomaten zu vergessen. In den Interviews am nächsten Tag sagten manche Menschen auf den Straßen, sie würden sich schämen, jetzt ins Casino zu gehen, nach allem, was passiert sei. Hochzeiten wurden abgesagt. Doch spätestens in wenigen Tagen wird alles wieder den gewohnten Gang gehen. "The Show must go on", zu keiner Stadt passt der Satz besser als zu Las Vegas. Und er passt auch zum politischen Washington.

Auf jedes Attentat folgt dasselbe Ritual. Politiker twittern über ihren Schock und senden den Familien der Opfer ihre "Gedanken und Gebete"; so schrieb es etwa Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses. Die Flaggen sind auf Halbmast, betroffene Politikergesichter stammeln in Fernsehkameras, dass Amerika nun zusammenhalten müsse. "Doch viel mehr wird nicht passieren", prophezeit die Washington Post".

Die meisten Demokraten werden auf Veränderung pochen. Die meisten Republikaner aber, die sich auf den zweiten Verfassungszusatz berufen und am Recht auf den Besitz von Schusswaffen festhalten, werden warten, bis sich die Empörungswelle legt. "Es war eine Tat des absolut Bösen", sagte etwa Präsident Donald Trump. Gemäß seiner Sprecherin Sahra Huckabee Sanders aber sei es zu früh, eine Debatte über das Waffenrecht zu führen: "Es gibt eine Zeit und einen Ort für eine politische Debatte, aber jetzt ist die Zeit, um als Land zusammenzustehen." Wann wird die Zeit für die Debatte sein?

Die beiden unterschiedlichen Positionen in Washington lassen sich gut anhand zweier Politiker nachzeichnen, die beide von Kugeln wildgewordener Amokschützen getroffen wurden. Die damalige Abgeordnete Gabrielle Giffords, eine Demokratin aus Arizona, verlor 2011 beinahe ihr Leben, als ihr während einer Rede aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde. Bei einem Politiker-Baseballspiel im Sommer dieses Jahres erwischte es den Republikaner Steve Scalise aus Louisiana. Während Giffords am Montag sagte, es sei Zeit für strengere Gesetze, gab sich Scalise bedeckt. Er wiederholte die Worte seines Präsidenten, sprach von Solidarität und forderte die Menschen auf, Blut zu spenden.

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30 Millionen Dollar investierte die Waffenlobby NRA in den Wahlkampf und den Sieg Donald Trumps, der im Gegenzug versprach, am Recht jedes Amerikaners auf eine Waffe nicht zu rütteln. Doch dieser zweite Verfassungszusatz stammt aus dem Jahr 1791 und bezog sich auf Gewehre, die man mühselig mit Schwarzpulver laden musste, um einen Schuss abzugeben. Nicht auf Maschinengewehre, wie sie der Schütze in Las Vegas, Stephen Paddock, 64, bei sich im Hotel hatte.

Umfragen zeigen regelmäßig, dass das amerikanische Volk offen wäre für mehr Regulierungen. Insbesondere für sogenannte "Background checks", also Abklärungen der Käufer, und für Verkaufsverbote bei Personen, die sich in psychologischer Behandlung befinden. Immer wieder wird auch diskutiert, ob die Anzahl Waffen, die ein Einzelner kaufen kann, limitiert werden soll. Gemäß Vergleichsstudien mit anderen Ländern würden diese Maßnahmen die Anzahl der Schießereien und Todesopfer reduzieren. Doch die Republikaner blockieren sämtliche Vorstöße mit den immer gleichen Argument: Gegen einen Schützen könne man sich nur wehren, indem man sich selbst bewaffnet. Es ist das Mantra der Waffenlobby NRA.

Wie wenig dieses Argument bringt, zeigen die Worte von Caleb Keeter, dem Gitarristen der Band, die am Abend des Attentats in Las Vegas spielte. Er sei ein Waffenbefürworter gewesen, schrieb Keeter nach dieser Nacht, in der er um sein Leben fürchtete. "Wir haben selbst Waffen in unserem Bus", schrieb er, doch die waren nutzlos. "Hätten wir sie geholt, hätte uns die Polizei womöglich für Täter gehalten", ein Chaos wäre ausgebrochen. Keeter, der Waffenfreund, schrieb, es brauche strengere Waffengesetze - und zwar sofort. "Wie konnten wir nur alle so blind sein."

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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